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Uli Hoeneß und die Krisenbayern – Das Interview mit Günter Klein

Wie schätzt ein Uli-Kenner und genauer Beobachter des Sports und des Fußballs den Charakterwandel von Uli Hoeneß ein? Wie bewertet Günter Klein die Lage bei den Krisenbayern? Ein Interview mit dem Sport-Chefreporter des Münchner Merkur, mit dem wir uns bereits einmal ausführlich über sein Werden und Wirken unterhalten haben.

Unser Telefongespräch fand nach dem 5:1-Sieg der Bayern gegen Lissabon und vor der Jahreshauptversammlung am 28. und 29. November 2018 statt.

Günter Klein im Blickpunkt Sport (Bayerischer Rundfunk) am 2. Dezember 2018

Über die Linie! Ganz allgemein gefragt, wie schätzt du die Lage beim FC Bayern ein?

Günter Klein Die Lage ist ungewöhnlich. Es gibt Wellenbewegungen, die gab es beim FC Bayern auch in den sehr erfolgreichen vergangenen sechs Jahren. Aber diesmal scheint es an einen fundamentalen Punkt angelangt zu sein, an dem auch ergebnisunabhängig mehr hinterfragt wird als das in der Vergangenheit der Fall war.

Konkret wird die Personalpolitik hinterfragt: Ist ein Konzept erkennbar? Wird der Klub noch gut geführt? Das war in den Jahren mit den vielen Titeln kein Thema.

Über die Linie! Wir sehen, dass der Präsident wieder die Macht an sich gerissen hat, so deute ich die Entwicklung der letzten beiden Jahre. Aber ich möchte zunächst fragen: Was hat Uli Hoeneß Positives bewirkt?

Günter Klein Zunächst hat er für sich selbst Positives bewirkt. Er hat einen Lebenslauf, der einen Knick erhalten hat, wieder korrigiert. Das Comeback war für ihn ein Akt der Rehabilitation. Er wird ja auch wieder ganz normal behandelt. Es gibt, seine Verurteilung betreffend, noch eine gewisse Häme, aber das nur noch in Kreisen, die dem FC Bayern immer mit einer gewissen Grund-Häme begegnen. Für ihn selbst war sicher sehr wichtig zu zeigen: “Ich mache die letzten drei Jahre ungeschehen, und wir machen jetzt da weiter, wo wir vorher waren.”

Die Frage ist, ob das auch für den FC Bayern gut war. Sicher in dem einen Punkt, dass viele Fans und Mitglieder den FC Bayern mit Uli Hoeneß verbinden. Was die Strategie des Gebildes betrifft, erkennt man jetzt zunehmend, dass diese gut gemeinten Versuche von Uli Hoeneß, gewisse Entwicklungen aufzuhalten, vielleicht doch eher hinderlich sind im Hinblick auf die Entwicklung des FC Bayern.

Über die Linie! Siehst du nach der Haftzeit eine Persönlichkeitsänderung, einen anderen Hoeneß als Präsidenten im Vergleich zur Zeit davor?

Günter Klein Zunächst schien er sehr still und milde geworden zu sein. An dem Tag, als er wiedergewählt worden ist, stand er ganz verlegen vor der Masse Menschen, die man nicht mehr alle in den Audi-Dom reinlassen konnte. Da war es Hopfner oder Rummenigge, der das Wort führte, während Hoeneß ganz still und verlegen dastand, ohne einen Anspruch zu formulieren oder herrisch aufzutreten. Das hat sich gerade in den letzten Monaten wieder gewandelt. Er ist sehr laut geworden und fast schon unangenehm laut.

Vor allem sind seine Aussagen so überspitzt geraten, dass es fast schon übertrifft, was man früher etwas folkloristisch als Abteilung Attacke abgetan hat.

Hoeneß’ Aussagen wirken bösartiger und verbitterter

Über die Linie! Liegt das an einer veränderten Wahrnehmung unsererseits, weil zum Beispiel heute Äußerungen sekundenschnell um die Welt gehen und die Fans unmittelbar erreichen und aufregen, während man früher einen rausgehauen hatte, und das war nach ein paar Tagen gegessen? Oder liegt es daran, dass Hoeneß selbst maßloser und verletzender geworden ist?

Günter Klein Ich finde, seine Äußerungen sind schon radikaler geworden als es früher war, angefangen gegenüber Özil („spielt seit Jahren einen Schxxxdreck“). Die Aussagen wirken bösartiger, und sie wirken verbittert. Man fragt sich oft, wofür denn Revanche genommen wird. Früher hat sich mal jemand negativ über den FC Bayern geäußert, weil z.B. ein Transfer trotz Zusage nicht eingehalten wurde. Da blieb was hängen, und es war klar, da kommt bei Gelegenheit mal ein verbaler Giftpfeil.

Aber es ist einfach böse geworden, Bernat war der nächste Fall. Dass vom Präsidenten so negativ über einen ehemaligen Spieler gesprochen wird, das war schon eine sehr ungewöhnliche Tonlage. Da muss man sich fragen, woher diese späte Verbitterung kommt, wo man vorher immer eine gewisse Altersmilde festgestellt hat. Vor dem Steuerfall war Hoeneß immer milder geworden und gar nicht mehr wahrgenommen worden als der, der für die Bayern das aggressive Wort führt. Als er nicht mehr Manager, sondern Präsident war, hat er versucht, allen Seiten gerecht zu werden, immer alle Seiten zu hören, im Verein die Fans aus der Südkurve und die Sponsoren. Er hat immer versucht auszugleichen, und dieses Ausgleichen ist in den letzten Monaten verlorengegangen.

Der Fußball ist dem FC Bayern davongaloppiert

Über die Linie! Kommen wir zur Ausrichtung des FC Bayern. Ich persönlich hatte das Gefühl, dass man Anfang der 10er Jahre in Europa oben angreifen wollte, gezielt Schritt für Schritt die notwendigen Dinge tat, um dort mitzuhalten, seien es Personaltransfers im Kader, die Führung mit Sammer, Reschke, Guardiola… Davon ist sehr wenig übriggeblieben. Ist das ein Ergebnis der Haftzeit, also des Fehlens von Uli Hoeneß, weil Rummenigge es nicht schaffte, das zusammenzuhalten? Oder ist es schon ein direkter oder indirekter Einfluss von Hoeneß‘ Wiederkehr, dass es so aussieht, also würde alles wieder eine Nummer kleiner werden?

Günter Klein Nein, ich glaube, es ist nicht von Hoeneß gewollt, dass es wieder kleiner wird. Was Hoeneß gemacht hat, dass dieses vertraute bayrische Element reinkam, das waren in erster Linie Sachen im Umfeld. Wie das Zurückholen des Vereinsarztes, das Holen eines Sportdirektors, der eine Bayern-Vergangenheit hat. Das sehe ich überhaupt nicht problematisch, wenn der Sportdirektor die richtige Persönlichkeit hätte.

Ich glaube zudem, dass der Fußball dem FC Bayern in den letzten Jahren davongaloppiert ist. Diese Entwicklung ist aus Bayern-Sicht wirklich tragisch. Mit dem Stadion und dem schnellen Abbezahlen des Stadions hatte der FC Bayern eine Vision entwickelt, die Hoeneß vor ein paar Jahren so formuliert hat: “Wenn das Stadion abbezahlt ist und uns gehört, ist es eine Goldgrube.” Und der Plan war, aus dieser Goldgrube so viel Gold zu schöpfen, dass man in Europa sogar mehr ist als ein verlässlicher Viertelfinalteilnehmer der Champions League, sondern wirklich diesen Status von Real Madrid und dem FC Barcelona hat, dass man ständig um den Sieg in der Champions League mitspielt.

Seriöses Wirtschaften und die Goldgrube Allianz Arena reichen nicht

Günter Klein Bei aller Seriosität sieht Bayern sich über seinen nationalen Wettbewerbern. Aber dass so plötzlich so viel Geld in den Fußball geflossen ist, in England, in Spanien, sogar in Frankreich und jetzt wieder in Italien mit einem besseren Fernsehvertrag – das war für die Bayern nicht abzusehen und hat ihre Pläne über den Haufen geworfen.

Das ist ihre Tragik: Man macht alles richtig, ist seriös, enteilt der nationalen Konkurrenz immer weiter und plötzlich gelten international ganz andere Wettbewerbsregeln. Der auf PSG gemünzte Spruch, man spiele nicht gegen Vereine, man spiele gegen Staaten, der ist auf der einen Seite ein bisschen scheinheilig, weil Bayern über Sponsorenverträge auch von diesem Geld aus Katar profitiert. Auf der anderen Seite trifft er den Nagel auf den Kopf. Es sind Geldflüsse da, die es zuvor im Fußball einfach nicht gab. Und die sind zum Nachteil des FC Bayern.

Der neue Fußball unter Guardiola

Günter Klein Der andere Punkt ist: Mit Guardiola hat man einen ganz entscheidenden Schritt getan. Ein ganz anderer Ansatz vom Fußball hat sich beim FC Bayern etabliert, dass man die Mannschaft nicht mehr sieht als die Addition des Vermögens von elf einzelnen Könnern, sondern dass man in den Vordergrund gestellt hat, was ein Teamgefüge entwickeln kann. Man hat immer mehr das Kollektiv gesehen, und das war für den FC Bayern eine erstaunliche Entwicklung. Es schien auch so, als wären die Spieler sehr zufrieden damit. Sie hatten als Mannschaft Erfolg und dadurch positionierte sich auch jeder einzelne besser, in der Nationalmannschaft schien alles wunderbar zu stimmen.

Über die Linie! Aber nun ist der Trainer weg und es sieht so aus, als gäbe es keine Idee oder Vision, wie man spielen will. Mit dem Ende von Guardiola ist vieles peu a peu weniger geworden: Es gingen das Positionsspiel, das Passtempo, die Passqualität, das blinde Verständnis für den nächsten, übernächsten und drittnächsten Pass verloren… Die Mannschaft hat anders trainiert, aber noch ihre Fähigkeiten ausgespielt, solange die alten Tugenden noch internalisiert waren. Der Verfall war bereits unter Ancelotti zu erkennen, er wurde von Heynckes nur gestoppt, und bis zum Lissabon-Spiel ist unter Kovac keine Fortentwicklung erkennbar gewesen. Lässt die Führung es einfach treiben, ist das Willkür von Rummenigge und Hoeneß, dass sie mal solche und mal solche Trainer holen oder ist noch ein Plan erkennbar?

Günter Klein Pep Guardiolas Vertrag lief über drei Jahre. Und ich glaube, Rummenigge und Hoeneß waren davon überzeugt, dass es Guardiola in München so gut gefallen würde, dass er nicht nur die vertraglich vereinbarten drei, sondern sechs Jahre bleiben und eine richtige Trainer-Ära begründen würde. Wenn man Guardiola verpflichtet, dann lässt man sich auf ihn ein und legt ihm alles zu Füßen. Und dafür sind drei Jahre eigentlich zu kurz.

Planlos nach Peps Absage

Günter Klein Intern hat es sicher die Überzeugung gegeben, dass man ihn mit den weichen Faktoren kriegt. Dass ein anderer Verein zwar mehr Geld bieten kann, aber dass man ihm nicht so sehr freie Hand gewähren würde wie beim FC Bayern. Das Leben in München hat schon viele vereinnahmt, die mit München zunächst gar nichts zu tun hatten. Und die doch noch spürbare familiäre Art hat viele Spieler oder Trainer lange an den Verein gebunden. Es war sicher ein Einschnitt, dass Guardiola nach den drei Jahren eiskalt gesagt hat, das war es für mich, ich will etwas anderes ausprobieren. In dem Moment herrschte Ratlosigkeit, nachdem man sich so sehr auf ihn eingelassen hatte.

Über die Linie! Aber man weiß doch, wie Guardiola spielen lässt und welche Trainer ähnlich sind wie er – die hat man nicht geholt.

Günter Klein Ich glaube, die Folgen waren ihnen nicht bewusst. Man wollte die Gelegenheit ergreifen. Man hatte zuvor die national sehr erfolgreichen Trainer wie Hitzfeld oder Magath, auch Heynckes. Aber diesen Typ Weltmann hatte man bis dahin eigentlich nicht, außer vielleicht ein bisschen mit Trapattoni. Guardiola war die große Versuchung, und ich glaube, man hat versucht, ihn so lange wie möglich zu halten und nicht darüber hinaus nachgedacht, was kommen könnte.

Das Ende des strategischen Denkens – Sammers Abgang mit Folgen

Günter Klein Ancelotti war der Versuch, auf hohem Niveau weiter zu verwalten. Aber ein bisschen entspannter, weil Guardiola für alle im Verein sehr anstrengend war. Man hat gedacht, es würde bei Ancelotti schon so weiterlaufen, und alle erholen sich erstmal. Es war, wie viele Fans befürchtet haben, die den internationalen Fußball genau verfolgen, dass bei Ancelottis Teams immer eine Verwaltung stattfindet, aber keine Entwicklung. Es war klar, dass auf den FC Bayern mittelfristig ein Problem zukommt. Aber das hat die Vereinsführung offensichtlich nicht wahrgenommen.

Nachdem Sammer weg war, gab es niemanden mehr, der so strategisch nach vorne geblickt hat. Seit dem Moment ist man planlos. Auch die Personalie Kovac ist ein Ausdruck dieser Planlosigkeit.

Über die Linie! Diese Ratlosigkeit führt irgendwann zu sichtbaren Auswirkungen, wie wir sie jetzt in der Rolle von Hasan Salihamidzic und in dem Standing von Kovac sehen. Das ist eine zwiespältige Situation. Einerseits ist es gar nicht verkehrt, einem möglicherweise satten Kader und den alten Spielern einen Kämpfertyp an die Seite oder voranzustellen, der ihnen sagt: „Wenn ihr was erreichen wollt, müsst ihr wieder mehr arbeiten und nicht nur ein 08/15-Programm runterspulen.“ Andererseits sieht es nicht so aus, als würden die Spieler oder eine kritischeMasse der Spieler ihm dabei folgen, es sei denn, es geht um den Einzug in die K.o.-Runde der Champions League.

Es ist eine extreme Lethargie, Gleichgültigkeit und Antriebslosigkeit zu erkennen, die mich sehr verblüfft hat. Kovac hatte bei seinem Antritt eine Flexibilität angekündigt, von der bis zum Spiel daheim gegen Lissabon nichts zu sehen war. Von Kämpfen war nichts zu sehen gewesen, nachdem es mit den Unentschieden gegen Ajax und Augsburg zwei minimale Rückschläge gegeben hatte. Ist das auf einen Liebe-Jungs-und-Diven-Mix zurückzuführen, mit dem Kovac noch nicht fertig wird oder liegt das auch daran, was Kovac an Unterstützung von oben erfährt?

Baustelle Brazzo

Günter Klein Was Kovac gar nichts nützt, ist eine Unterstützung von Salihamidzic. Ich bin mir ganz sicher, dass der von der Mannschaft nicht ernst genommen wird. Der ist möglicherweise noch das größere Problem. Wenn der helfend zur Seite springt, wird es keinen Erfolg geben. Da ist Kovac eher noch der Typ, der das Team beeindruckt, weil er mit dem Pokalsieg schon gezeigt hat, dass er was draufhat.

Trotzdem scheint es in der Mannschaft ein starkes Ressentiment gegen den Trainer zugeben, vielleicht nicht wegen seiner kämpferischen Art oder seiner Ansagen, sondern weil ihm Spieler grundsätzlich nicht auf Augenhöhe begegnen, sondern auf ihn runterschauen. Das ist schwer zu fassen. Nach dem Sieg gegen Lissabon ist alles ausgedeutet worden, woraus man vielleicht eine Erkenntnis ziehen könnte. Geht er zu den Spielern hin, umarmt er einen Spieler, wird er von Spielern geherzt, zeigen die Spieler nach einem Tor demonstrativ auf ihn, laufen sie zu ihm? Da hat offenbar wenig an Symbolik stattgefunden.

Über die Linie! Es war bei Guardiola zu beobachten, dass Ribéry nach einem Tor zu Pep lief, da schien das Eis gebrochen. Gegen Lissabon hat Ribéry so etwas gemacht, aber erst, als er ausgewechselt wurde. Ist das Verhältnis noch hinzubekommen oder ist es schon unrettbar zerrüttet?

Niko Kovac
Niko Kovac November 2018

Günter Klein Ich glaube, es ist schon zerrüttet. Bei Ribéry muss man vorsichtig sein mit den Deutungen. Er hatte bei einem 5:1-Sieg gegen Dortmund mal Louis van Gaal so geherzt, dass der stolperte und sich einen Kapselriss am Finger zuzog. Und im Nachhinein weiß man, dass die Beziehung zwischen den beiden extrem schwierig war.

Unrettbarer Kovac

Günter Klein Ja, ich glaube, es ist schon zu viel kaputtgegangen. Nach dem Statement von Uli Hoeneß nach dem Spiel gegen Düsseldorf war klar, dass Kovac entscheidend angezählt ist. Zum ersten Mal seit Monaten trat Hoeneß total sachlich, ruhig, analytisch auf. Da wusste man, es war keine Inszenierung dabei, die mit Wut gegen irgendjemanden gerichtet ist, um von jemand anderem abzulenken. Das war eine klare Bestandsaufnahme, aus der man heraushören konnte, dass der Trainer angezählt ist. Und dass es über einen Point of no Return schon hinweg ist. Ich glaube, dass dieser Zeitpunkt verzögert werden kann, aber ein einziges Rückfallspiel genügt, all die Zweifel zurückzubringen, die es nach dem Düsseldorf-Spiel gab (in letzter Minute den Ausgleich kassiert, Anm. ÜdL). Es kann auch sein, dass sie in Bremen 3:0 oder 3:1 gewinnen (es wurde ein 2:1-Sieg, Anm. ÜdL), aber in dem Moment, wo zum Beispiel bei Ajax ein Spiel kommt, wo altbekannte Schwächen auftreten oder eine Unsicherheitsphase in der Bundesliga, wo eine 2:0-Führung verlorengeht und es plötzlich wieder 2:2 steht, also da kann jederzeit was passieren.

Und es ist nicht davon auszugehen, dass alle grundsätzliche Probleme, die man festgestellt hat, wie die Überalterung, fehlende Alternativen auf etlichen Positionen, mit ein paar Siegen aus der Welt wären.

Anmerkung: Nach diesem Gespräch veröffentlichte die Abendzeitung ein Interview mit Karl Heinz Rummenigge, in dem er sich wünschte, dass Kovac noch lange bleibe, wenn er denn ein paar Dinge änderte. Hier liegt möglicherweise erneut ein Dissens in der Führung des FC Bayern vor, sofern diese unterschiedlichen Bewertungen nicht abgesprochen waren.

Über die Linie! Es gibt einige recht junge und einige recht alte Spieler, da stimmt die Mischung nicht, die kann aber Kovac nicht mehr beeinflussen. Vielleicht gehen wir von den falschen Erwartungen aus, dass die Bayern unbedingt die Bundesliga wie bisher beherrschen müssten. Vielleicht ist das gar nicht gesund, weil man diese Saison nutzen könnte, um den Umbruch einzuleiten, zu experimentieren, ein neues Profil zu suchen – will man weiter den Flügelfokus, will man anders stürmen oder verteidigen? Dafür müsste man aber die vorhandenen Spieler anders einsetzen oder mehr Spieler von den Amateuren zum Zuge kommen lassen – ist das etwas, das von oben nicht gewünscht wird, traut sich Kovac nicht, weil er das Standing nicht hat?

Anmerkung: Der ehemalige FC-Bayern-Amateurespieler Niklas Dorsch hat den FCB im Sommer verlassen und sich jüngst in einem Interview beklagt, dass er nie eine faire Chance bekam, um sich bei den Profis zu bewähren.

Champions League oder nichts

Günter Klein Ich denke, dass es in einem Punkt zwischen allen einen Konsens gibt, also zwischen Trainer und Vorstand, dass die Saison so gespielt werden muss, dass nichts Größeres kaputtgeht. Die Qualifikation für die Champions League ist das absolute Mindestziel. Wenn ich die Einnahmen aus der Bilanz rausrechne, das kann sich der FC Bayern einfach nicht leisten. Da wären 100 Millionen weg. In einem Jahr, in dem man 200 Millionen investieren will, kann man sich das nicht leisten. Diesem Ziel wird alles untergeordnet. Umbruch ja, aber dann radikal im nächsten Sommer. Man wird diese Saison nicht nutzen, um zum Beispiel Batista Meier oder jemanden aus der zweiten Mannschaft einzubauen. Obwohl etliche Spieler Profiverträge erhalten haben, haben sie bisher keine Sekunde gespielt.

Es ist offensichtlich, dass die noch zu weit weg sind. Also wird Kovac vielleicht mal einen jungen Spieler auf die Bank setzen und ihm mal ein paar Minuten geben, wenn nichts mehr passieren kann. Aber eigentlich ist die Situation zu kritisch, um irgendein Experiment zu wagen. Es geht jetzt für die Bayern um die Absicherung der Mindestziele, und dafür muss dieser Kader funktionieren.

 Worüber man in diesem Kader diskutieren kann, ist die Frage, ob Robben und Ribery noch diesen Status haben sollen, dass sie davon ausgehen, die Nr.1-Spieler auf ihrer Position zu sein oder ob man Coman und Gnabry als die beiden Spieler der Zukunft sieht und das forciert.

Ich sehe aber personell niemanden aus der zweiten Reihe, der jetzt unbedingt forciert werden müsste wie zum Beispiel vor zehn Jahren, als ein Mats Hummels als junger Verteidiger nach vorne drängte. Es ist einfach nicht so, dass die Jungen so nah dran wären, dass sie eine Alternative wären.

Es geht jetzt darum, die Katastrophe zu vermeiden und einigermaßen in der Spur zubleiben.

Herausforderung Transferpolitik

Über die Linie! Wenn es darum geht, im kommenden Jahr mit großem Portemonnaie anzugreifen, muss man die Spieler davon überzeugen, dass sie zum FC Bayern kommen wollen. Die Personalien von James und Renato Sanches können durchaus den ein oder anderen Spieler abschrecken, dass der FC Bayern nicht das beste Pflaster für sie wäre. Ist das Paket noch attraktiv genug? Die Bayern haben eine große Geschichte und gewisse Aussichten vorzuweisen. Man kann Champions League spielen, aber über Mbappé hat Hoeneß selbst gesagt, dass der nicht zum FC Bayern kommen wollte. Dybala hat den FC Bayern ebenfalls von seiner Liste gestrichen. Ist der Platz des FC Bayern gefährdet durch das Chaos, das er derzeit darstellt?

Günter Klein: Es ist schon klar, dass es nicht die Norm ist, wie der FC Bayern sich gerade präsentiert. Da hat der FCB schon einen sehr hohen Maßstab gesetzt in den letzten Jahren, so dass er weiterhin eine sehr gute Adresse ist. Zumindest für Talente, die aus Deutschland kommen, ist der FC Bayern neben den internationalen Spitzenclubs weiterhin die Nummer 1. Wenn ein Timo Werner ein Angebot bekommen würde, wäre es für ihn schon sehr überlegenswert, in einem sprachlich und kulturell vertrauten Umfeld den nächsten Schritt zu machen statt den ganz großen Traum von Premier League oder La Liga zu träumen.Es ist sicher schwieriger geworden bei Spielern, die man aus dem Ausland holen will. James hat man unter besonderen Umständen bekommen – die Unzufriedenheit in Madrid und der Ancelotti-Kontakt. Bei Sanches war anderen Vereinen vielleicht bewusst, dass der nicht so talentiert ist, wie die Bayern das glaubten. Aber auf dem Markt wird es insgesamt schwieriger.

Ich muss immer schmunzeln, wenn über Spieler berichtet wird, die in England einen festen Status haben. Warum sollten die nach Deutschland gehen? Sowohl vom Geld als auch der Liga her gibt es für sie wenige Argumente für einen Bundesligisten oder den FC Bayern.

Das Jahr 2007 mit den Transfers von Luca Toni und Franck Ribéry ist gar nicht so lange her, die besten Torschützen der Ligue 1 und der Serie A zu bekommen mit für damalige Verhältnisse sehr viel Geld (man konnte in Europa das beste Gehalt zahlen). So einen zu kriegen, kann man sich heute kaum noch vorstellen – und das ist erst elf Jahre her.

Die historische Pressekonferenz

Über die Linie! Kommen wir zu der seltsamen Pressekonferenz. Im Nachhinein wissen wir, dass sie angesetzt wurde, nachdem dem FC Bayern klar war, dass der Spiegel bald darauf eine Veröffentlichung zum Thema Super League bringen würde. Auf der Pressekonferenz haben sich Rummenigge und Hoeneß aber vornehmlich auf die dort so genannte „Springer-Presse“ eingeschossen, ein Kampfbegriff, der aus offiziellem Mund nur selten zu hören ist. Das ist eigentlich ein sicheres Spiel, ging aber dennoch nach hinten los. Ist das ein typischer Fall gewesen, dass Journalisten zusammenrücken, egal, wer da gegen sie schießt?

Günter Klein Es ist zunächst einmal ein Angriff auf die Presse allgemein gewesen, ein Infragestellen dessen, was die Presse darf, nämlich kritisieren. Es waren sich alle einig, dass nicht im Übermaß und nicht auf unverschämte Art und Weise kritisiert worden ist. Deshalb setzte sehr schnell eine Solidarisierung ein. Die ging ja weit über die Presseszene hinaus. Im Grunde jeder vernünftige Mensch, der diese Pressekonferenz verfolgt hat, hat die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, als Artikel 1 vom Grundgesetz zitiert wurde, und man fragte sich, in welche skurrile Richtung so etwas geht? Wie sehr will sich ein Fußballverein denn noch überhöhen?

Das war ein richtiger Bumerang. Sie haben vielleicht kalkuliert, dass es momentan auf fruchtbaren Boden fällt, wenn man die Medien pauschal angreift und die Springer-Presse sowieso, aber die Taktik ist gar nicht aufgegangen.

Über die Linie! Manche Berater und Zuarbeiter des Vereins und manche Verbandsvertreter haben aber gesagt, genauso ist es, die Medien sind doch heute so respektlos, hauen überall drauf und sind für jede Dramatisierung gut, wo es gar kein Drama gibt. Diese Einstellung ist in den Etagen sehr verbreitet.

Günter Klein Es ist teilweise richtig, dass es den FC Bayern immer härter trifft, als es Borussia Dortmund oder Schalke treffen würde. Über Bayern schreibt wirklich jeder Journalist, der im Sport tätig ist. Die haben im Grunde keinen Kontakt zum FC Bayern und niemanden, auf den sie menschlich Rücksicht nehmen müssten. Wenn ich irgendwo in Hamburg sitze und locker-hämisch was über die schreibe, habe ich nie zu befürchten, dass es zu einem persönlichen Kontakt kommt, wo ich zur Rede gestellt werde, weil ich vielleicht Leute persönlich getroffen habe. Insofern ist die Wahrnehmung nicht so ganz falsch, dass es den FC Bayern besonders hart trifft.

Dann geht der Gaul mit Uli durch

Günter Klein Auf der anderen Seite heißt es, viel Feind, viel Ehr und auf den Fan-Shirts steht „Euer Hass ist unser Stolz“. So zu polarisieren und kritisch wahrgenommen zu werden, trägt zur Popularität des FC Bayern bei. Man muss differenzieren, was wirklich bösartig gegen ihn gerichtet, was ist eine Unterstellung oder unwahr oder was einfach im Rahmen von Kritik ist. Die angesprochenen Fälle waren keinesfalls so, dass man sich drüber aufregen müsste. „Altherrenfußball“ ist ein legitimer Begriff, natürlich überspitzt und einer, den der FC Bayern selbst verwendet hat.

Es ist ja bereits geschrieben worden, dass Hoeneß den hohen moralischen Maßstab, den er angelegt hat, selbst gar nicht erfüllt, zum Beispiel mit den Äußerungen über Özil oder Bernat.

Über die Linie! Es war ja nicht Hoeneß, sondern Rummenigge, der den Respekt eingefordert hat. Und es ist Hoeneß gewesen, der dem Anspruch sogleich wieder nicht gerecht wurde. Ist das eine typische Szene, wo der Gaul mit Hoeneß (66) durchgeht? Oder war das gar kalkuliert von ihm?

Günter Klein Nein, da geht der Gaul mit ihm durch oder er verliert die Argumentationslinie.

Über die Linie! Uli Hoeneß gilt als jemand, der sehr sozial und um Ausgleich und Gerechtigkeit bemüht ist. Aber hat er sich bei Bernat persönlich entschuldigt?

Günter Klein Es ist zumindest nichts bekannt. Ich denke, das wäre auch schwierig, da der Spieler jetzt inParis ist und man keine gemeinsame Sprache spricht. Ich denke, dass man das eher vertagt, bis man sich mal wieder trifft. Es ist heutzutage ja durchaus üblich, dass man das über andere Kanäle macht, und dann ist der Sache auch Genüge getan.

Bei Özil kann Hoeneß sich auch nicht entschuldigen, denn den erreicht ja nicht einmal der Jogi Löw.

Verblüffung über Breitner

Über die Linie! Der familiäre Zusammenhalt, der den FC Bayern bei Angriffen von außen oft ausgezeichnet hat, wird dadurch konterkariert, dass der Verein sich plötzlich auf offener Bühne streitet und bekämpft, wie wir es bei der Breitner-Ausladung erlebt haben. Ist das noch zu kitten oder steht der FC Bayern da vor einem dramatischeren Chaos, in dem nun Rechnungen aus den letzten 30 bis 50 Jahren mit einer gewissen Hemmungslosigkeit beglichen werden?

Günter Klein Das ist schwierig zusagen, weil die Beziehung Breitner und Hoeneß so wechselhaft ist. Die ist wirklich durch alles gegangen. Mich hat es auch verblüfft, wie kritisch Breitner auf die Pressekonferenz eingegangen ist, weil ich ihn in den letzten Jahren als jemanden erlebt habe, der sich von seiner kritischen Seite total entfernt hat. Seit er bei Bayern verschiedene Ämter wahrgenommen hat, sei es Berater des Präsidiums, Chefscout oder Markenbotschafter, war er nicht sehr kritisch. Es hat bei ihm immer den Eindruck, dass es darauf ankommt, wer gerade sein Dienstherr ist.

Über die Linie! War er nur nach außen oder auch intern unkritisch?

Günter Klein: Intern vielleicht nicht, aber zumindest nach außen. Ich glaube schon, dass intern sehr offen diskutiert wird. Es ist bei Breitner so, dass er schon sehr empfindlich ist, ein großer Austeiler, aber sehr empfindlich. Das ist eine Sache, die wir in der Zeitung massiv bemerkt haben bei der Berichterstattung über seine Thujenhecke. Er ist jemand, der nicht leise weint, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt, und der, wie auch in dem Fall mit den Ehrenkarten, die Welt seinen Schmerz wissen lässt.

Über die Linie! Nichtsdestotrotz fühlte sich der Verein bemüßigt, auf solche Vorwürfe auch noch zu antworten.

Günter Klein Und das spricht für eine gewisse Unsouveränität. Diese Geschichte ist auch nach hinten losgegangen. Weil Paul Breitner einer ist, der in Bayern-Kreisen fast schon vergessen war. Er war auf diesen Reisen immer mit dabei, er war so ein Stück Geschichte des Vereins, anerkannt, wurde aber aktuell nicht mehr wahrgenommen.

Wenn man nun sieht, wie sich die Leute auf die Seite von Breitner schlagen nach dem Motto „Das geht nicht, dass man so auf die Meinung eines verdienten, langjährigen Mitarbeiters reagiert“. Das zeigt, dass wirklich ein großer Fehler begangen worden ist.

Es wäre einfach besser gewesen, das einmal auszusitzen oder ihm im VIP-Bereich zusagen, „Ja, Paul, fand ich nicht so gut, wie du uns da öffentlich hinhängst.“ Und dann wartet man, dass sich sowas wieder einrenkt, vor allem, weil sich zwischen den beiden nach Jahren immer alles wieder eingerenkt hat. Man darf nie vergessen, dass Paul Breitner der erste am Krankenbett von Hoeneß war, als der 1979 mit dem Flugzeug abgestürzt war. Das war eine Beziehung, die über das Geschäftliche oder das gemeinsame Thema Fußball weit hinausging.

Über die Linie! Abgesehen davon, dass die Pressekonferenz für mich einer der schlimmsten Tage als Bayern-Fan war – bemerkenswert ist, wie Uli Hoeneß sich angreifbar und zum Gespött gemacht hat. Inwieweit schadet das dem Verein? Ist das etwas, das er merkt?

Günter Klein Ich glaube, dass er es merkt, da ihm diese Reaktionen zugetragen werden. Dafür muss er nicht in den sozialen Medien angemeldet sein, um eine Resonanz zu erfahren. Es steht in den Zeitungen, und die nimmt er schon wahr. Es gab Momente des Einlenkens. Es ist klar, dass er die Pressekonferenz heute nicht mehr so gestalten und gewisse Aussagen wie z.B. über Spieler lassen würde. Vielleicht wird er in drei, vier Wochen sagen, dass sein Verhalten im Fall Breitner ungeschickt ist.

Uli Hoeneß
Uli Hoeneß auf der Jahreshauptversammlung 2018

Ich glaube also, dass er das wahrnimmt, aber immer mit Verzögerung. Und damit macht man sich angreifbar. Da muss er sich selbst mehr im Griff haben oder es müsste eine Struktur geben, dass er auf Leute hört und sich mit denen bespricht, wo die Möglichkeit besteht, dass er sich von einem Plan, jemanden so in den Senkel zu stellen, abbringen lassen kann.

Über die Linie! Sich angreifbar zu machen, das heißt noch nicht, dass jemand auf der nächsten Jahreshauptversammlung den Finger hebt und gegen ihn kandidiert. Ist der Präsident Hoeneß unangreifbar, unanfechtbar? Schweinsteiger würde nach seinem wohl letzten Jahr als Fußballer Ende 2019 Zeit haben – oder wird Hoeneß irgendwann selbst loslassen? Er sprach in einem Vereins-Interview davon, dass er lieber heute als morgen aufhören würde. Ist das eine Einsicht oder sieht er sich dazu gezwungen oder wie sieht er das wirklich?

Das Gefühl der Unersetzlichkeit

Über die Linie! Er könnte sich schließlich einbilden, dass jetzt, wo er sich wieder mit voller Kraft einmischt, die Mannschaft in die Spur kommt (vor dem Dortmund-Spiel war er im Mannschaftsbus und in der Kabine, am Montag nach dem Düsseldorf-Spiel führte er intensive Gespräche mit mehreren Führungsspielern, die anschließend Solidaritäts-Interviews für Kovac gaben). Fühlt er sich nun noch unersetzlicher?

Günter Klein Das kann ich aus meiner Halbdistanz nicht sagen. Ich glaube, das sind nur kurzzeitige Effekte, die damit erzielt werden. Und es ist eigentlich nicht die Aufgabe des Präsidenten, sondern eher die eines Sportdirektors oder Managers.

Solange er antritt, wird er wahrscheinlich gewählt werden. Weil es einfach keine Opposition gibt, die erwachsen würde. Man kann auch davon ausgehen, dass Breitner, der schon in einem höheren Alter ist, keine Lust hat, sich aus Rachegelüsten reinzudrängen, um Uli Hoeneß etwas wegzunehmen.

Ich glaube, dass Hoeneß auch bei den Hardcore-Fans kritischer gesehen wird. Die, die ihn noch verteidigt haben, als es schwer war mit seinem Steuerfall, die sind doch jetzt einigermaßen desillusioniert. Einige sagten, schön, dass er jetzt wieder raus ist und sein Leben leben kann. Aber ob er jetzt unbedingt noch einmal an die Spitze des Vereins muss? Diese Fraktion ist größer geworden. Man hört sehr oft, dass Hoeneß in den Augen vieler Leute, die sich intensiv mit dem FC Bayern auseinandersetzten, schon fast Schaden anrichtet, Entwicklungen blockiert, das ganze Gebilde lächerlich macht.

Über die Linie! Ich denke, dass auch den Uli-Jüngern etwas mulmiger zumute ist, und es muss ihnen wehtun, wenn jemand wie Breitner ausgestoßen wird, ob sie ihn besonders mögen oder nicht. Oder dass ehemalige eigene Spieler so beschimpft werden, das ist eine Eskalation, die es früher nicht gegeben hat und die sie auch in keiner Weise vor sich rechtfertigen können, indem sie sagen, die Presse hätte das aufgebauscht. Insofern ist die Hoeneß-Kritik breiter geworden über die grundsätzlich skeptischen Fans oder Ex-Fans hinaus.

Günter Klein: Früher konnten die sagen, da erfindet die Presse etwas, aber in dem Fall sind die Angriffe ziemlich klar nachzuvollziehen.

Der Durchbruch für Kovac?

Über die Linie! Niko Kovac hat plötzlich seine Taktik geändert und eine Doppel-Sechs aufgestellt. Ist nach den intensiven Gesprächen dem Team der Zahn gezogen worden, dass sie den Trainer nach Belieben feuern können, wonach es schon unter Ancelotti aussah?

Günter Klein Da ist mir ein Spiel zu wenig. Das ist immer ein Prozess. Es gab schon verschiedene Momente, wo man sagen konnte, er wäre angekommen. Das 5:0 im Supercup gegen Frankfurt, der gute Saisonstart, im Grund auch die erste Halbzeit gegen Borussia Dortmund. Aber alles, was bisher entstanden ist, ist schnell wieder zusammengesackt. Deswegen kann ein 5:1 gegen Benfica noch gar nichts aussagen. Da muss man warten, ob die Mannschaft diesen Willen beibehält und sich auch dauerhaft spielerisch steigert, dass sie eine Mannschaft auseinanderspielt, die Schwäche in den letzten Spielminuten ablegt, dass es vielleicht typische Bayern-Siege gibt, wo sie selbst das späte Tor zum Sieg schießen. Aber jetzt wäre es mir zu früh zu sagen, dass er den Durchbruch geschafft hätte.

Was spricht für oder gegen Lahm und Kahn?

Über die Linie! Letztes Thema Kahn oder Lahm. Niemand weiß, was die beiden wollen. Bei Kahn gilt Stallgeruch plötzlich als Vorteil, bei Brazzo wurde das noch lächerlich gemacht. Dräut Lahm im Hintergrund oder ist die Sache mit Kahn klar?

Günter Klein: Lahm ist bis zur Europameisterschaft 2024 ausgelastet, außerdem gibt es weiterhin Vorbehalte gegen die Konstellation mit Roman Grill (Lahms Berater). Bei Lahm ist offensichtlich, dass der Berater eine starke Rolle spielt, das ist bei Oliver Kahn nicht der Fall. Oliver Kahn wirkt viel reifer und selbständiger. Er hat Berater, die ihm für seine Analysen zugearbeitet haben, aber er tritt auf, ohne dass ständig jemand an seiner Seite wäre und ihn berät.

Was mir bei Kahn etwas Bauchschmerzen bereiten würde, sind seine geschäftlichen Verpflichtungen. Es war zwar früher bei den Bayern-Funktionsträgern auch immer so, dass sie nebenbei Werbeverträge hatten. Aber es ist zum einen ein Wettanbieter, das halte ich nach wie vor für etwas anrüchig. Dass er geschäftliche Verflechtungen mit Bayern hat, weil er bei Tipico drin ist, weil Goal Play seine Karten bei Bayern im Spiel hat. Und sein Engagement in Saudi-Arabien, das er bei den gegebenen politischen Umständen überdenken müsste, durch die Feindschaft mit Katar und die Menschenrechtssituation, da haben beide Staaten ziemlich viel Dreck am Stecken.

Über die Linie! Günter Klein, besten Dank für das Gespräch!

2 Comments

  1. Der Nikolaus

    Danke. Bestes Interview zum Thema. Alle hausgemachten Probleme und Fehlentscheidungen auf den Punkt gebracht. Hoffe, an der Säbener wird mitgelesen – sonst kommen alle in den Sack 😉

  2. Danke für dieses Interview!

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