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„Es ist der Kopf, der alles beherrscht“ – Das Gespräch mit Xabi Alonso

Immer wieder schlägt Xabi Alonso leicht auf den Gartentisch, wenn er einen Begriff betonen will. Die Sonne der Gerechtigkeit, die sich über die Sportanlagen des FC Bayern an der Säbener Straße senkt, wird gemildert von der Sprinkleranlage, die den Trainingsplatz wässert und ab und an ein paar Tropfen auf ihn fallen lässt und die Münchner Hitze ein wenig verringert.

Xabi Alonso zieht sich aus dem Fußball zurück und in jedem seiner Worte, die er langsam, gemessen und nachdenklich formuliert, spürt man ein gewisses Gewicht. Kurz nach der errungenen Bundesliga-Meisterschaft geführt ist dies eines der letzten Interviews, das Xabi als aktiver Fußballer gewährt.

Xabi sagt via Twitter adios
Xabi sagt via Twitter adios

Neben dem Eingang zu den Umkleidekabinen befindet sich eine großzügige Terrasse mit Blick auf die beiden Trainingsplätze, die die Mannschaft nutzt. Die in zwei Jahrzehnten verwitterte robuste Terrasse teilt sich auf in drei verschiedene Zonen: eine ist reserviert für die Angehörigen der Spieler; in der zweiten in der Mitte befindet sich die Tischtennisplatte, auf der die Spieler täglich Dutzende von T-Shirts mit ihren Namen signieren; und die dritte, bestückt mit dem Wetter trotzenden Korbstühlen und Milchglas-Tischen, ist reserviert für Gespräche der Spieler und des Stabes.

Xabi spricht mit leiser Stimme und wird nur von Neuer, Ribéry und Bernat unterbrochen, die frisch geduscht aus der Umkleide kommen und ein paar Witze machen. Mittags ist die Säbener Straße eine Insel der Ruhe, entsprechend legt sich Xabi seine Antworten bedächtig zurecht, reflektiert und windet sich fast, während er seine Stimme zurücknimmt, um die vorherrschende Stille in dieser Oase des Friedens nicht zu stören.

Fragen nach den Spielern seiner Jugend begeistern ihn, diejenigen über das Spiel und die Taktik erregen ihn. Jede seiner Antworten auf die Fragen von Martí Perarnau und Isaac Lluch erinnert an einen guten Pass.

Xabi geht und verabschiedet sich hiermit.

Über die Linie Lassen Sie uns mit einer Anekdote beginnen. Auf Twitter haben Sie Ihren Rücktritt mit einem schwarz-weißen Foto verkündet. Wo wurde es aufgenommen?

Xabi Alonso Die Wahrheit ist, dass ich nicht vorhatte, ein Fußballfoto zu machen. Ich habe mich ein bisschen von einem Western inspirieren lassen, eine Szene von John Wayne in „Gnadenlos“, als sich die Helden in den Ruhestand verabschieden…

ÜdL Und die Idee kam von Ihnen?

Alonso Ja, ja. Meine Frau hat das Bild geschossen. Es sollte selbstgemacht aussehen. So wie ich auch Twitter benutze. Wir haben das in München, in Grünwald in der Nähe von zu Hause aufgenommen, wo mein Sohn Jon trainiert.

ÜdL Ein symbolisches Bild.

Alonso Ja, es zeigt ein bisschen das Aufhören dort, wo alles begann: auf dem Feld, mit den Mundial-Schuhen in der Hand, die meine Lieblingsschuhe sind. Ich wollte etwas machen, das mir gefällt.

ÜdL Angesichts all der Jahre ihrer Karriere, hatten Sie sich ein wenig schwindelig gefühlt bei der Ankündigung Ihres Rückzugs?

Alonso Nein, nein. Obwohl ich schwierige Entscheidungen treffen musste, als ich die Clubs wechselte. Weil es mir dort gut ging und ich mich als wichtiger Teil der Mannschaften empfand, mich gut mit dem Trainer verstand und keines der Probleme hatte, wegen denen man den Club verlässt. Im Gegenteil, ich hatte immer das Gefühl, etwas Neues zu suchen, mich erneut zu beweisen. So war es, als ich von Real zu Liverpool ging, als ich von Liverpool nach Madrid ging und als ich Madrid verließ, um hier nach München zu kommen.

Und diese letzte Entscheidung hat sich im letzten Jahr entwickelt, als ich das Gefühl bekam, dass sich das Ende nähert. Wenn ich das damals sofort entschieden hätte, wäre mir sicherlich sehr schwindelig geworden. Aber in diesem Jahr ist es eine notwendige Entscheidung gewesen, es ist der richtige Moment und ich habe keine Zweifel. Ich bin ziemlich ruhig und ich habe das intensiv mit mir selbst ausgehandelt.

„Ich wollte immer schon zu einem guten Zeitpunkt in den Ruhestand gehen und derjenige sein, der entscheidet, wann es an der Zeit ist.“

ÜdL Wieso waren Sie sich sicher, dass es der richtige Moment ist?

Alonso Ich wollte immer zu einem guten Zeitpunkt aufhören und selbst derjenige sein, der entscheidet, wann es an der Zeit ist. Damit das kein anderer für mich wählt. Deshalb habe ich antizipiert und einen Abschied gewählt, bevor er unvermeidlich ist.

ÜdL Warum hätte Sie die Entscheidung im vergangenen Jahr noch schwindelig werden lassen? Wir wissen, dass die Saisonvorbereitung für Sie ein bisschen so war wie einen Berg hinaufzulaufen…

Alonso (lächelt) Ja, denn es war ein plötzliches Gefühl, es kam weniger aus der Überlegung heraus. Sich zu sagen „Hey, ist es schon so weit“? Ich sah die Möglichkeit aufzuhören, hatte davor aber mehr Respekt und es verursachte mir mehr Schwindel. Stattdessen denke ich in diesem Jahr, dass es ein guter Moment ist.

ÜdL Hat das mit dem Rückzug von Philipp Lahm zu tun?

Alonso Nein, nein. Ich habe mich in meinem Moment entschieden, Philipp in seinem eigenen. Sie fallen beide in eine Zeit, wo wir noch gut spielen und dennoch das Gleiche entschieden haben. Er hat auch zur gleichen Zeit wie ich seine Karriere in der Nationalmannschaft beendet – allerdings nach einem Sieg (lacht).

ÜdL Lahm begründete seine Entscheidung damit, dass er als Kapitän immer ein Vorbild sein wollte und das nicht noch eine weitere Saison im Training und in den Spielen leisten könne. War das auch für Sie der ausschlaggebende Grund?

Alonso Ich denke, dass ich noch eine weitere Saison auf dem gleichen Niveau hätte spielen können, wenn ich mich hätte motivieren können. Aber sobald die Entscheidung gefallen war, wusste ich, wo die Grenze ist, und die Zeit zählt seitdem rückwärts. Ich weiß, wie viele Spiele noch bleiben, und ich zähle sie herunter… Vom Kopf her löse ich mich bereits. Am Samstag, den 20. Mai um halb Vier nachmittags gegen den SC Freiburg wird mein letztes Spiel sein. Es wird ein Tag der Freude sein, weil wir die Meisterschale bekommen und mit ein paar Bierduschen feiern werden. An dem Tag werde ich meine Stiefel an den Nagel hängen.

Der nächste Schritt nach der Karriere

ÜdL Und die offensichtliche Frage lautet: Was jetzt?

Alonso (lacht) Ja, das ist die Frage. Ich kehre nach Spanien zurück. Ich werde in Madrid und Donosti sein, weil ich es dort sehr mag. Aber ich werde immer nach München und Liverpool zurückkehren, weil zu beiden Städten eine sehr starke Bindung entstanden ist.

Was jetzt? Zunächst werde ich mir Zeit nehmen, um Ruhe zu haben, ein wenig zu genießen, um Freiheit zu haben. Keine Saisonvorbereitung haben, den Sommer ein wenig verlängern (lacht)…

Und dann werde ich anfangen müssen darüber nachzudenken, was ich tun möchte. Sicherlich werde ich keine Eile haben, ich will die Dinge zur rechten Zeit machen, wenn ich mich wirklich bereit fühle. Ich muss mich gut ausbilden, eine gute Umgebung finden. Wann ich wieder in den Ring springe wird man sehen, aber ich bin mir bewusst, dass es eine komplizierte Arbeit ist. Um es gut zu machen, muss man gut vorbereit sein.

ÜdL Sie haben das Wort Trainer nicht ausgesprochen

Alonso Nun ja, es deutet sich an. Es ist in meinem Kopf, aber alles zu seiner Zeit.

„Jetzt ist Zeit für ein Sabbatical, um das Leben zu genießen und mich ein wenig vom Fußball zu distanzieren“

ÜdL Aber ist es nicht absehbar, dass sich in der nächsten Saison in welchem Team auch immer eine Lücke auftun wird auf der Trainerbank?

Alonso Nein, nein. Unmöglich. Jetzt kommt ein Sabbatical, ich werde das Leben genießen, ich will ein wenig Abstand zum Fußball gewinnen, weil ich ihn, zu meinem Glück, sehr intensiv gelebt habe. Ich konnte den Fußball mehr genießen als ich mir je erträumt hätte. Das hat mir Befriedigung verschafft, aber jetzt muss ich mir Zeit nehmen, ich kann entspannter sprechen und bin nicht mitten im Zentrum des Fußballs wie heute noch. Zeit, um die Batterien zu entladen und wieder ganz aufzuladen. Und dann wird man sehen.

ÜdL Was hat es damit auf sich, dass Sie mal an einer Thunfisch-Auktion in Japan teilnehmen wollen?

Alonso Ah, gut, das sind die Dinge, die gesagt werden… naja hoffentlich. Nun will ich zumindest Zeit haben zu entscheiden, was ich tun will und was nicht.

ÜdL Und werden Sie Ihr Wirtschaftsstudium beenden?

Alonso Mir fehlt noch ein Kurs. Wir werden sehen (lacht).

ÜdL Zur Trainerfrage haben sie gesagt, dass man sich vorher in einem passenden Umfeld gut ausbilden muss. Jetzt sind Sie also noch nicht bereit, oder vielleicht doch?

Alonso Ich glaube, ich benötige einen Prozess der Distanzierung, der Umwandlung, der Veränderung der Mentalität. Man muss sich gut vorbereiten, ein gutes Umfeld finden und die Perspektive wechseln… Ich denke, jetzt wäre ich noch nicht so weit, um den Schritt zu gehen.

Liverpool

ÜdL Sie haben gesagt, dass es schwierige Entscheidungen waren, die Clubs zu wechseln. Wie schafft man es, mit 22 Jahren im englischen Fußball zu bestehen, in ihm zu überleben?

Alonso Ich glaube, dass ich die große Fähigkeit habe, mich anzupassen, schnell zu lernen und zu wissen, was ich zu tun habe, um effektiv zu sein und Dinge umzusetzen. Und das ohne das zu verändern, wie ich glaubte spielen zu müssen. Bei meiner Ankunft in Liverpool mit 22 Jahren half es mir sehr, einen Trainer zu haben, der so viel Vertrauen in mich setzte. Ich konnte viel mit ihm reden. Zu wissen, dass ich auf Rafa (Benítez, Anm. d. Red.) zählen konnte, der bereits viel Prestige und Ansehen hatte, erleichterte mir die Anpassung und das Erlernen dessen, was wichtig war und was nicht. Das war ein Prozess und nichts, das sofort funktionierte.

Im ersten Jahr fiel es mir dadurch leicht herauszufinden, um was es ging. Aber das Tempo hat damit nichts zu tun, auch das Spiel nicht, die technischen und taktischen Fähigkeiten der Gegner auch nicht, aber du musst dich anpassen, an ein anderes Tempo, einen Mangel an Kontrolle, eben den britischen Fußball, bei dem man manchmal nicht weiß, wie man damit umgehen soll: Aus zwei Schüssen machen sie drei Chancen und es kommt zu zwei Toren. Es ist schwierig, sich daran anzupassen und darin zu überleben.

Ich hatte auch gute Begleiter: Didi Hamann, der ein anderes Temperament hatte als ein typischer englischer Mittelfeldspieler, der von Strafraum zu Strafraum läuft. Mit ihm habe ich im ersten Jahr viel gelernt. Darüber hinaus gewannen wir die Champions League. Das hilft dir sehr dabei, dich mit dem Klub und der Stadt zu identifizieren, und das ist sehr wichtig.

ÜdL Wenn Sie über den englischen Fußball sprechen, kommt es uns vor, als hörten wir Pep Guardiola sprechen.

Alonso (lacht) Tatsächlich sprach ich mit Pep darüber, bevor er nach Manchester ging.

ÜdL Pep zitiert Sie in seinen Pressekonferenzen, wenn er über die zweiten Bälle spricht…

Alonso Es gibt Dinge im englischen Fußball, die sich geändert haben und andere nicht. Es gibt Teams, die defensiv spielen, drei Bälle nach vorne schlagen und schauen was passiert. Und das ist sehr schwer zu kontrollieren.
Pep hatte die Sorge, auf was er treffen würde. Ich hatte das schon erlebt und wir haben letztes Jahr viel darüber gesprochen.Ich verfolge den englischen Fußball noch sehr genau, weil ich die Premier League gerne sehe.

Peps erstes Jahr ist sehr interessant gewesen, denn es ist eine Herausforderung, wie es auch für mich eine war. Und er wird sich anpassen, da bin ich mir sicher. In seinem ersten Bundesligajahr lernte er Dinge, die er später anwendete. Und sicherlich hat er im ersten Jahr in der Premier League Sachen gelernt, die er im nächsten Jahr implementieren und verbessern will. Ich habe keinen Zweifel, dass die nächste Saison besser sein wird.

ÜdL Mit 22 Jahren in der Premier League zu spielen – war es das am stärksten „Gegenkulturelle“, das Sie in Ihrer Karriere gemacht haben? Oder war es, mit 32 Jahren in den deutschen Fußball einzutauchen? Oder… war es der Wechsel von Mourinho zu Pep?

Alonso Ich denke, es war, mit 32 von einem Verein wie Real Madrid nach Deutschland zu kommen. Normalerweise ist es mit 32 sehr schwierig, von einem Top-Verein zu einem anderen Top-Verein zu gehen.

Es war sehr gut in Madrid, ich hatte fünf fantastische Jahre, aber es war eine großartige Chance, hierher zu kommen. Dann, mit Pep und mit Mourinho zu arbeiten, da bin ich nicht der Einzige gewesen. Es hat mir bei beiden sehr gut gefallen; sie haben unterschiedliche Arten, den Fußball zu spielen, unterschiedliche Persönlichkeiten, aber auch zwei sehr ähnliche Arten zu führen und ein sehr ähnliches Charisma.

Aber das am stärksten Gegenkulturelle war tatsächlich, mit 32 Jahren nach Deutschland zu kommen. Man sieht viele junge Spieler in die Premier League oder Bundesliga gehen, aber mit 32? Nein. Und doch war der Übergang sehr fließend.

ÜdL Es war ein Wechsel, der nicht absehbar war. In einem früheren Interview mit The Tactical Room im März 2014 hatten Sie uns noch gesagt, dass Sie womöglich niemals Deutschland kennenlernen würden. Und der erste Tag, an dem wir uns hier trafen…

Alonso (lacht) Ich hatte mich geirrt. Ich erinnere mich noch genau an das Interview, aber es war nicht geplant. Ich denke, die Tatsache, dass wir mit Madrid die zehnte Champions League gewannen, die Décima… Ich war fünf Jahre dort und dachte, `Ich habe alles erreicht‘. Denn wenn du in Valdebebas reinkommst (das Trainingsgelände von Real Madrid, die Ciudad Real), siehst du die Bilder aller Mannschaften, die die Champions League gewonnen haben, und denkst: „Wenn du in diesem Club nicht die Champions League gewonnen hast, werden sie sich nicht an dich erinnern.“ Also war der Gewinn der Champions League 2014 für mich wie ein „Job erledigt, Mission erfüllt“. Später im Sommer tauchte diese Möglichkeit auf. Ich habe mir das viele Male durch den Kopf gehen lassen und sprang. Er passte vieles zusammen: zu einem anderen Super-Verein wie Bayern zu kommen, die Bundesliga kennenzulernen, mit Pep zu arbeiten… Viele gute Gründe, also versuchte ich es, und ich habe es nicht bereut.

Der deutsche Fußball

ÜdL Was würden Sie zusammenfassend sagen, was Sie im deutschen Fußball gelernt haben?

Alonso Hier sind die Teams viel stärker und widerstandsfähiger. Und taktisch wird dieser Fußball Jahr für Jahr immer reichhaltiger. Immer mehr Trainer, die etwas Neues machen, die aus dem konventionellen deutschen Fußball ausbrechen wollen. Und ich habe festgestellt, dass sie vorankommen.

ÜdL Wir sprechen von…

Alonso Nagelsmann (Hoffenheim), Tuchel (Dortmund), Kovac (Frankfurt) Hasenhüttl (RB Leipzig), der mit seinem grundlegenden 4-4-2 im Grunde wie Simeone bei Atlético arbeitet. Ich spreche auch von Nouri (Bremen). Sie sind jung, man sieht, wie sie sich ändern. Ich denke, das ist auch dem Erfolg der Nationalmannschaft zu verdanken. Joachim Löw spielt manchmal mit vier, manchmal mit fünf Abwehrspielern. Und diesen taktischen Reichtum sehe ich auch in der Bundesliga, und das hatte ich nicht so erwartet.

Lob für Klinsmann

ÜdL Ein paar Säulen waren bereits aufgebaut.

Alonso Ich denke, es beginnt alles mit der WM 2006, weil Deutschland mit Jürgen Klinsmann eine große Nationalmannschaft hatte. Er führte verschiedene Methoden ein, nicht nur im physischen Bereich, in dem die Deutschen schon immer voraus waren. Sie haben sich insgesamt Schritt für Schritt weiterentwickelt. Im Jahr 2010 erreichten sie das Halbfinale gegen uns, wo sie vielleicht noch nicht ganz reif waren; 2014 hatten sie dann ein starkes Team, in das jetzt junge Spieler hineinwachsen.

ÜdL Vielleicht hatten sie früher bessere Spieler als Trainer und verbessern sich nun auch in diesem Bereich.

Alonso Der Prozess ist damals in Gang gesetzt worden. Derzeit ist der deutsche Fußball sehr gesund und er verbessert sich weiter.

ÜdL Haben die drei Jahre Guardiola im deutschen Fußball tatsächlich Spuren hinterlassen?

Alonso Zweifellos. Du kannst es selbst sehen. Wir haben schon von den jungen Trainern gesprochen, die sich etabliert haben und versuchen, etwas von Pep zu übernehmen. Daher bin ich mir sicher, ja.

ÜdL Die taktische Vielseitigkeit… (Peps „wichtigstes Vermächtnis“, siehe das Interview mit Domènec Torrent)

Alonso Ja. Und das Denken: Was muss ich machen, damit dieses oder jenes passiert. Und nicht: Es passiert etwas, das ich nicht kontrollieren kann. Das passiert nicht unkontrolliert. Ich bin mir sicher, sie haben Pep studiert und ihre Erkenntnisse tatsächlich umfassend angewandt.

Respekt vor dem Trainer, Treue zum Trainer

ÜdL So ein Wechsel von Mourinho zu Pep gehört zum professionellen Fußball dazu. Wir haben oft gelesen, wie sehr Sie sich mit Mourinhos Credo identifiziert haben…

Alonso Das wurde so oft geschrieben. Aber ich kann mit diesen Etiketten nichts anfangen. Wenn Sie mich fragen, ob ich mich mit dem Trainer identifiziert und für ihn gekämpft habe – natürlich, ja.

ÜdL Haben Sie die Figur des Trainers von Anfang an verteidigt, weil auch Ihr Vater Periko ein Spieler und Trainer war. Ist das Ihre Vision des Jobs?

Alonso Ja, in der Tat. Ich habe immer versucht, die Hierarchie und die Befehlskette zu respektieren; ich habe immer versucht zu verstehen, warum Entscheidungen getroffen werden, warum dieses oder jenes in einem Spiel gemacht werden sollte. Dieses Bild hat mich immer angezogen, weil das am Ende Einfluss auf die Entscheidungsfindung hat. In den zwei Jahren mit Pep und jetzt mit Carlo (Ancelotti) verteidigte ich die Rolle des Trainers immer in der gleichen Weise.

ÜdL Diese Treue zu ihrem Trainer hatte Konsequenzen für einige Kameraden, intern bei Real oder extern bei Spielen gegen Barcelona…

Alonso Ja. Mag sein. Das ist ein Fakt. Aber am Ende muss ich mir selbst treu sein und dem, was ich fühle. Wenn ich das Gefühl habe, das ist mein Trainer, dann muss ich ihn verteidigen… Eine andere Sache ist, ob ich alles verteidige. Ich verteidige eben nicht alles. Es gibt Dinge, denen ich zustimmen kann und anderen nicht. Ich bleibe dabei ruhig, weil ich glaube, dass es das ist, was ich zu tun habe.

Schließlich wissen wir, dass es sehr kompliziert ist. Es sind nicht nur die Spieler, sondern auch die medialen Stürme oder in welche Ecke die Medien dich stellen wollen. Das kann ich nicht kontrollieren, daher habe ich mich nie auf diesen Krieg eingelassen. Es laugt dich nur aus und du wirst nie gewinnen. Ich bin immer ruhig geblieben bei dem, was ich getan habe.

Wenn ich die Fußballstiefel an den Nagel hänge, bin ich im Frieden mit mir und den Menschen. Wenn jemand nicht das Gefühl haben sollte – ich habe ein offenes Ohr und werde bereit sein, mit ihm zu reden.

Von der Gegnerschaft zur Zusammenarbeit

ÜdL Bei Bayern gab es eine Besprechung, bei der Pep Guardiola eindeutige Witze machte und den anderen Spielern sagte, „für mich war Xabi ein H…sohn und seht, jetzt arbeiten wir hier so eng beisammen.“

Alonso Genau, genau so war es, und wir haben sehr gelacht. Ich habe auch gesagt, dass er das Gleiche für mich war, weil er uns (Real Madrid) besiegt hatte, und dann hatten wir gewonnen. Aber am Ende war es so, Pep verteidigte sein Team und ich das unsere. Und das sollte für die Zukunft keine Rolle spielen. Am Ende ist es Fußball.

ÜdL Wie viele Fußballschulen haben Sie in Ihrer Karriere durchlaufen?

Alonso Antiguoko, Real Sociedad, Liverpool, das einen ganz bestimmten Stil spielte, die Nationalmannschaft, Madrid und hier München. Sechs Schulen.

ÜdL Wer oder was hat mehr Spuren hinterlassen, die Schule selbst oder ihre Lehrer?

Alonso An allen Orten waren es mehrere, die Einfluss gehabt haben.Einer kann der geistige Anführer sein. In Liverpool zum Beispiel war Rafa (Benítez) der Stratege. Dann kamen wichtige Figuren wie Carragher, Gerrard, Reina, Mascherano… Dass wir uns so mit einer Idee identifizierten lag an verschiedenen Personen. Diese Jahre waren sehr wichtig, weil wir in zwei Champions-League-Finals waren, eines davon gewannen und um die Meisterschaft kämpften… In Madrid hatten wir mehrere Trainer und der Stil war viel direkter.

ÜdL Der Rock ’n‘ Roll.

Alonso So ist es. Es war mehr pam-pam-pam. Mit drei Bällen zwei Tore. Es war nicht so ausgefeilt, wir spielten sehr direkt. Ich habe mich an die Spieler angepasst. Ich sage immer, wenn ich gut spielen will, muss ich Spieler um mich haben, die besser sind. Denn mein Ziel ist, ihnen ihre Arbeit so zu erleichtern, dass sie besser spielen können. Mit Cristiano (Ronaldo), mit Luka (Modric), mit Karim (Benzema), mit Bale, mit Fideo (di Maria)… Es war ein direktes Spielen, weil das Spiel das von uns verlangte. Es war nicht das Spiel, das man eine Woche später in Las Rozas mit der Nationalmannschaft spielen konnte, mit Silva, Iniesta, Busquets, Xavi, Cazorla… Das war nicht miteinander zu vergleichen, mein Spiel allerdings war ziemlich ähnlich. Mein Spiel zeichnet sich immer durch die um mich herum aus.

ÜdL Und in München?

Alonso Hier war es eher vermischt. Wir hatten mehr verschiedenartige Stürmer als in der Nationalmannschaft. Es war ein bisschen gemischt, aber immer mit Kontrolle und Veredlung.

Die wichtigen Spieler in der Bayern-Kabine sind…

ÜdL Sie sprachen über die einflussreichsten Figuren in ihren fußballerischen Etappen und es erschien uns, dass Sie damit nicht nur Trainer, sondern auch Spielkameraden meinten. Wen zum Beispiel?

Alonso Ja, ja, ich meinte Spieler. Gerrard war ein Schlüsselstein am Anfang meiner Karriere. Und Pedro Aramburu bei Real Sociedad. Als ich mit dem Spielen begann, zeigten sie mir den Weg zum Profi. Und das gleiche mit López Rekarte, Aranzábal, Idiakez, Kovacevic, sie haben mich gut aufgenommen und ich habe mich sehr schnell integriert. Sie sagten: „Jetzt hast Du die Gelegenheit und musst Dich beweisen.“

Dann in Madrid waren große Spieler und das Tempo war sehr unterschiedlich. Cristiano, Sergio (Ramos), Iker (Casillas) – sie hatten den Hunger, Madrid wieder dahin zurückzuführen, wo es in den Finalspielen Ende der 90er und Anfang der 2000er Jahre war. Und als ich München ankam, sah ich sofort die sehr starke deutsche Identität in der Umkleidekabine. Philipp (Lahm), Manu (Neuer), Thomas (Müller) und auch jetzt Mats (Hummels), der sich sehr gut eingefügt hat. Jetzt wisst ihr, wer in der Kabine die wichtigen Spieler sind.

ÜdL Aber Ihr erster Meister war Periko Alonso, nicht wahr?

Alonso (lächelt) Zweifellos. Er war derjenige, mit dem alles begann, der mich am stärksten beeinflusst hat, nicht so sehr im Spiel, weil er nicht sagte, „Du musst dieses tun oder jenes nicht“. Er respektierte auch immer das, was der Trainer sagte, aber er hat mich mehr moralisch geführt, im ethischen, dass ich mich nicht ablenkte. Mehr als Vater denn als Trainer, aber logischerweise wusste er als ehemaliger Spieler, wovon er sprach.

Xabi Alonso
Xabi Alonso

Messi oder Maradona?

ÜdL Ihr Vater wurde 1982/83 Spieler von Barcelona, in der gleichen Saison wie Maradona. Hat er Ihnen Anekdoten aus der Zeit erzählt?

Alonso Nein, nicht so sehr von kleinen Schlachten. Er erinnert sich mit Zuneigung an Maradona.

ÜdL Juan Manuel Lillo erzählt von den Rondos und vom Positionsspiel, bei denen Periko zu Diego sagte: „Die anderen dürfen den Ball zweimal berühren, aber du nur einmal, du bist zu gut“…

Alonso (lacht) Ja, ich erinnere mich, dass Menotti zu meinem Vater sagte: „Periko, Du rennst, holst den Ball zurück und gibst ihn Diego.“

ÜdL Die perfekte Familie, um die Debatte Maradona oder Messi zu führen, ist die Alonso-Familie… Ihr Vater als Kumpel von Diego und Sie als Rivale von Leo.

Alonso Mein Vater sagte immer, dass es sehr schwierig ist, verschiedene Epochen zu vergleichen, weil der Fußball so unterschiedlich ist. Aber er sagt auch, dass diejenigen, die damals gut waren, auch heute gut wären. Aber puh, es ist sehr schwierig, Messi und Maradona zu vergleichen.

Die Bedeutung des „Clásico“

ÜdL Kommen wir zum „Clásico“. Macht es einen tatsächlich schwächer, so oft auf einen Rivalen zu treffen, weil der andere die Schwächen seines Gegners immer besser kennenlernen konnte?

Alonso Für uns muss ich sagen, dass uns die Spiele gegen Barça besser machten und wir in jedem Spiel dazulernten. Barça spielte in jenen Jahren besser und in den vielen Spielen lernten wir ihre Schwächen kennen. In der Saison 2010/11 gewann Barça die Liga und wir die Copa (Königspokal, ähnlich dem DFB-Pokal, allerdings in jeder Runde mit Hin- und Rückspiel, Anm. d. Red.). Danach gewannen sie gegen uns noch das Halbfinale der Champions League und standen weiterhin über uns. Im Jahr darauf, als wir die Liga gewannen begann die Angleichung des Niveaus und noch ein Jahr später fuhren sie mit ihrem Kombinationsfußball fort, der sie auszeichnet, aber wir begannen, eine deutlich höhere Kontrolle im Spiel zu erlangen und erkannten viel besser, was ihre Schwachpunkte waren.

Eine kleine Fußballschule für den genauen Blick

ÜdL Bevor wir über unterschiedliche fußballerische Konzepte sprechen, bestätigen Sie uns bitte eine Anekdote: Íñigo Elarre, Ihr Trainer bei Antiguoko, erzählt, wie Sie im Alter von 15 Jahren eines Tages wegen einer Handverletzung nicht spielen konnten und mit ihm auf der Bank saßen und Ihren Kollegen auf dem Feld Anweisungen gaben, gut fünf Sekunden, bevor er das tun konnte.

Alonso Nun, ich erinnere mich nicht daran. Sicherlich kann er sich besser daran erinnern als ich. Aber ich habe immer versucht, zu verstehen und zu wissen, warum etwas passierte, ich wollte nicht nur spielen.

ÜdL Und wie lernten Sie zu verstehen, was vor sich geht?

Alonso Die Schule von Antiguoko ist eine sehr bescheidene, sehr kleine Schule, aber sie sind sehr gut darin gewesen zu lehren, das Spiel nicht nur zu spielen, sondern auch zu deuten. Sie sagten: ‚Wir müssen von einer Seite zur anderen verschieben‘ oder ‚Hier machen wir einen langen Ball und spielen auf die andere Seite‘ oder ‚Hier suchen wir jetzt Überzahl‘. Das von klein auf verstehen zu lernen und nicht nur mitanzusehen, was passiert, war überaus nützlich. Ich mochte das.

ÜdL So erforschten Sie bereits ihre Seele als Trainer.

Alonso Nein (lächelt)! Ich wollte nur die Dinge verstehen.

Wie Alonso das Spiel liest

ÜdL Sie charakterisieren sich als jemand, der „Spiele lesen“ kann. Wenn Sie das Feld betreten, was lesen Sie zuerst?

Alonso Zunächst einmal denke ich, dass man schon vor dem Spiel eine Idee haben sollte. Du kannst nicht auf den Rasen kommen, um zu mal zu schauen, was passiert. Du sagst dir: „Ich glaube, Folgendes wird passieren, das andere Team spielt auf diese Art und Weise und wir werden dadurch in der Lage sein, jenes zu tun.“
Die Wahrheit ist, dass mir heutzutage auf dem Feld sehr wohl bewusst ist, was wir gut machen, wo wir dem Gegner wehtun können, wie sie uns wehtun können, dass ein Spieler gleich über die Außenbahn und nicht durchs Zentrum kommen wird… Auf dem Feld sehe ich das sehr gut. Aber wenn ich als Ersatzspieler oder nach einer Auswechslung auf der Bank sitze, dann verfüge ich nicht über den gleichen Blick. Es kommt auf die Perspektive an.

ÜdL Auf die räumliche Perspektive?

Alonso Das auch, das auch. Oder es ist so, dass ich auf der Bank nicht in der Lage bin, mich so sehr in das Spiel zu vertiefen wie mitten auf dem Rasen. Auf dem Feld bin ich mir jedes Mal mehr darüber bewusst. Ich sehe, dass der Gegner mit zwei Mann in der Mitte spielt oder mit dreien. Ich sehe, dass wir sie von der Seite angreifen müssen, oder dass sie mit drei Mann aufbauen werden, wir aber einfach nur zu zweit zu pressen brauchen und nicht zu dritt. Dessen bin ich bin mir sehr bewusst.

ÜdL Was ist das erste, worauf Sie achten?

Alonso Auf die Systeme und wie wir sie schon im Aufbau attackieren müssen, in der ersten Phase, der zweiten und der dritten Phase, und wie wir ihnen in den einzelnen Phasen den Weg abschneiden. Für mich ist das sehr klar zu sehen. Die erste Phase ist die Einleitung, die zweite Verarbeitung und die dritte Ausführung. Das ist es, was ich im Spiel unterscheide. Je besser du verteidigst, desto besser greifst du an, und je besser du angreifst, desto besser verteidigst du. Und je besser du an den Ball kommst, desto besser greifst du an, weil du die Pässe wesentlich besser kontrollierst.

ÜdL Und das Tempo, wie kontrollieren Sie das?

Alonso Das Tempo ist mit den Gefühlen verbunden, deinen eigenen und denen des Publikums. Ich erinnere mich an das Rückspiel des Champions-League-Halbfinales im vergangenen Jahr gegen Atlético Madrid: Mit dem Rhythmus, den wir in der ersten Hälfte vorgaben, gegen ein Team, das zu den am besten organisierten des modernen Fußballs gehört – sie kamen und kamen nicht an uns heran…

Wir gaben dem Ball ein Tempo, das von Emotionen geprägt war, weil wir uns gesagt hatten, dass wir Atlético nicht in die Unordnung würden treiben können, wenn wir dem Ball nicht dieses Tempo geben. Hier in München brachten wir den Ball in der ersten Hälfte noch auf tausend Stundenkilometer. Wie im Hinspiel im Calderón kamen wir aber nicht ans Ziel, weil der Ball dann nicht mehr schnell genug zirkulierte.

Wenn man ein Spiel noch einmal spielen könnte

ÜdL Wenn Sie ein Spiel in Ihrem Leben wiederholen müssten, weil das Ergebnis nicht das gewünschte war, welches würde es sein?

Alonso Es gibt drei Stachel, die tief sitzen. Ein Stachel ist, dass wir die Meisterschaft mit Real Sociedad nur knapp verpassten. Ein wichtiges Spiel war in Vigo, das wir verloren. Wenn wir ein Unentschieden geschafft hätten, wären wir 2002/03 Meister geworden. Das wäre vergleichbar gewesen mit der Meisterschaft von Leicester, jedenfalls fast.

Ein weiterer Stachel ist, mit Liverpool nicht die Premier League gewonnen zu haben, auch wenn das weniger von uns abhing.
Und dann die Champions League mit Bayern. Im vergangenen Jahr ist sie uns entglitten. Wie auch gegen Barça vor zwei Jahren (damals wegen der vielen Verletzungen). Im vergangenen Jahr hatten wir sie schon, wir hatten sie schon an der Angel und sie entkamen uns lebend. Wir hatten alles versucht, aber uns fehlte das bisschen Glück… Um die Champions League zu gewinnen, brauchst Du in irgendeinem Spiel Glück, und im entscheidenden Moment hatten wir es nicht.

ÜdL Dann würden Sie das Spiel gegen Atlético wiederholen?

Alonso Ja, ja. Wir hatten alles getan, um die K.o.-Runde zu überstehen, aber am Ende sind wir nicht durchgekommen.

Das Viertelfinale gegen Real Madrid

ÜdL Lassen Sie uns über die jüngste Begegnung mit Real Madrid im Viertelfinale sprechen. Bayern hatte wieder die Möglichkeit, im Hinspiel nach einem Strafstoß mit einer 2:0-Führung in die Pause zu gehen.

Alonso In München hatten wir es selbst in der Hand. Wenn unser Ziel war, im Hinspiel ein gutes Ergebnis zu erreichen, dann war es in Reichweite. Wenn kleine Details zu unseren Gunsten ausgegangen wären, wären wir mit einem guten Vorteil aus dem Hinspiel herausgegangen, aber wir verpassten dort das Finale. Wir hatten nicht damit gerechnet, die Allianz Arena als Besiegte zu verlassen, aber es war so. Und schließlich schafften wir noch das Merkwürdigste, wir erreichten im Bernabéu noch den Gleichstand.

ÜdL Das zweite Jahr in Folge entschieden kleine Details, ein Strafstoß in einem Schlüsselmoment…

Alonso Der Strafstoß und die Gelb-Rote von Javi, weil wir dadurch beim Stand von 1-1 eine halbe Stunde zu zehnt spielen mussten. Wir reagierten nach dem verschossenen Elfmeter nicht gut.Das Spiel noch wegzugeben hat uns sehr wehgetan.

Die Gedanken in der Münchner Halbzeitpause gegen Real Madrid

ÜdL War es in der Halbzeitpause vom Gefühl her wie im Vorjahr gegen Atlético, als man auch beim Stand von 1-0 einen Strafstoß vergab (Thomas Müller)?

Alonso In der Pause gingen mir die Bilder von Thomas‘ Strafstoß durch den Kopf, ja… Wir kontrollierten das Spiel und fühlten uns überlegen, zumindest sah ich es so, aber wir ließen erneut eine Chance zum 2-0 aus, und ich hatte den Eindruck, dass uns von da an das Momentum verließ. Mit 2-0 in die Pause zu gehen hätte wahrscheinlich ein anderes Finale ergeben, aber es war nicht so und ich fühlte, dass uns unser Momentum entglitten war. In derChampions League entscheiden die Details alles.

Ein halbes Wunder in Madrid

ÜdL Die beiden Platzverweise – je einer pro Spiel – waren sehr wichtig für das Aus…

Alonso Nach dem Platzverweis von Javi im Hinspiel haben wir nur noch versucht zu überleben, was wir auch schafften. Das Rückspiel war eine Partie voller Spannung. Sicherlich war es nicht unser bestes Spiel, aber in der zweiten Hälfte drehte es sich zu unseren Gunsten und die Gelb-Rote von Arturo (Vidal) war entscheidend angesichts der bevorstehenden Verlängerung…

Eine Verlängerung im Bernabéu-Stadion mit zehn Spielern und einem Madrid, das aus allen Rohren schießt, ist eine sehr komplizierte Aufgabe. Noch einmal, um das Halbfinale zu erreichen, hätten viele kleine Details zu deinen Gunsten ausgehen müssen, und das war nicht der Fall. Auf diesem Niveau gegen Teams wie Real, Atlético, Barça oder Juve werden Fehler gnadenlos bestraft.

Gut, hätte aber besser sein können – eine letzte Saisonbilanz

ÜdL Lassen Sie uns eine Bilanz der Bayern-Saison nach dem Ausscheiden aus der Champions League und dem DFB-Pokal sowie dem Gewinn der Meisterschaft der Bundesliga ziehen, der fünften in Folge.

Alonso Es ist eine gute Saison, weil das durch den Gewinn der Meisterschaft definiert ist, aber es bleibt das Gefühl, dass es besser hätte laufen können. Wir strebten nach mehr und sind nicht mit dem Verlauf zufrieden. In meinem Fall macht mich meine Gesamtbilanz der Erfahrungen in Deutschland sehr zufrieden: Die Erfahrungen und ein wichtiger Teil eines Klubs wie Bayern gewesen zu sein waren großartig.

Eine schwierigere Bundesliga

ÜdL Haben Sie in der Bundesliga in dieser Saison einen Unterschied im Rennen um die Meisterschaft im Vergleich zu den beiden Jahren davor bemerkt?

Alonso Es ist ähnlich gewesen. Ich habe bemerkt, dass es uns schwerer gefallen ist, die Spiele zu gewinnen, aber als in der Tabelle einmal ein Vorsprung erarbeitet war, war der Titelkampf sehr ähnlich. Leipzig kämpfte sehr hart in der Hinrunde, bis wir sie besiegt hatten und Borussia Dortmund zurückblieb. Ich hatte gedacht, dass Dortmund mit uns Schritt halten würde, aber das war nicht der Fall. Wir haben die Bundesliga insgesamt „locker“ gewonnen, aber nicht die einzelnen Spiele. Es hat uns in vielen Spielen viel Mühe gekostet, sie zu gewinnen.

Die Erneuerung – Bayern wird stark bleiben

ÜdL Die beiden K.o.s in der Champions League und im Pokal oder die Tatsache, dass die Bayern-Startelf mehrmals einen Altersdurchschnitt von 30 Jahren aufwies – zeigt das noch deutlicher die Notwendigkeit einer Erneuerung des Kaders, insbesondere nach dem Abschied von Ihnen und Lahm?

Alonso Ich denke, das sind Dinge, die man bereits vorher wusste und dass man sich früher oder später damit auseinandersetzen muss. Jetzt gehen Philipp (Lahm) und ich; innerhalb von wenigen Saisons werden das wahrscheinlich Franck (Ribéry) und Arjen (Robben) tun, und das führt dazu, dass Spieler gefunden werden müssen, die auf dem gleichen Niveau ihre Posten besetzen. Und das ist nicht einfach, weil sie Spieler der allerhöchsten Klasse sind: Es ist nicht einfach, zuverlässigen Ersatz zu finden. Aber zugleich, und das ist sehr wichtig, gibt es eine Basis von Spielern im Alter von 26-27 Jahren: Ich spreche von Thiago, Javi Martínez, David Alaba, Mats Hummels… Diese Männer bilden das Gerüst der Mannschaft – klar ist jedoch, dass das Team noch vervollständigt werden muss. Und ich weiß, dass sowohl der Trainer wie auch die Führung sich dessen bewusst sind und bereits daran arbeiten, auch wenn es naturgemäß keine leichte Aufgabe ist, Spieler zu finden, die für die Bayern-Startelf in Frage kommen.

ÜdL Trotz der Aufgabe des unmittelbar bevorstehenden Umbruchs, meinen Sie, dass Bayern seine starke europäische Position in den kommenden Jahren aufrechterhalten kann?

Alonso Ja, zweifellos. Bayern verfügt über einen guten Kader und das Niveau wird sich nicht ändern. Bayern wird auch in den kommenden Jahren seine Spuren hinterlassen.

Der lange Schmerz der Niederlage

ÜdL Sie haben große Siege und Titel erreicht, aber ebensolche Niederlagen erlebt. Wie lernt man, damit umzugehen?

Alonso Es tut sehr weh. Niederlagen schmerzen jedes Mal mehr, sofern das noch möglich ist. Alles was ich weiß ist, dass die Zeit dir dabei hilft. Worte trösten dich nicht. Es ist sehr schwierig, mir Trost zu spenden. Es ist ein Prozess, ich muss das aufsaugen und verdauen… Es ist fast ein körperlicher Schmerz.

Es ist ein Duell. Wenn es um ein wichtiges Spiel geht, darfst du nicht aufgeben, nicht die Flinte Korn ins Korn werfen, du wirst auf dich selbst wütend. Ich erinnere mich an die Partie in Porto vor zwei Jahren, das 1-3. Ich war wie weg. Sie sagten mir: „Du wirst schon sehen, in der Allianz Arena werden wir das noch drehen.“ Aber bis zum 6-1 im Rückspiel war der Schmerz nicht weg.

Zwei Arten zu verlieren

ÜdL Beim Abendessen nach dem 3-1 erinnerte Sie ein Freund an eine Ansprache von Bielsa: „Beschwert euch nicht, schluckt das Gift (der Niederlage) runter.“

Alonso Das ist richtig. Man muss es einfach runterschlucken.

ÜdL Es gibt die Frustration, unter seinem eigenen Niveau geblieben zu sein, aber auch den Frust, alles gegeben zu haben und es war doch nicht genug.

Alonso Das tut auch weh, aber damit geht man anders um. Wenn du denkst, dass du es gut gemacht hast, musst du damit umgehen, dass Niederlagen eben passieren und normal sind. Aber dennoch schmerzt es sehr. Nach diesem Spiel im vergangenen Jahr gegen Atlético verschwand ich in einem tiefen Loch, weil uns eine Riesenchance durch die Finger glitt.

Die Entscheidungen des Mittelfeldspielers

ÜdL Wir sind wieder bei der Sache mit dem Rhythmus im Spiel gegen Atlético. Aber wie können Sie als Mittelfeldspieler eingreifen, um das Spiel zu ändern?

Alonso Nun, zunächst, was den defensiven Aspekt angeht, ist es Aggressivität. Es gibt Spiele, in denen es mehr um das richtige Positionieren geht, um mehr Räume abzudecken. Und andere Spiele, bei denen du aggressiver Druck machst und den Gegner presst, um mehr zu intervenieren und die Prozesse zu beschleunigen. Du sagst dir: „Ich werde dies beschleunigen, so dass ich, wenn nicht in dieser Aktion, dann in der nächsten Aktion schon am richtigen Platz bin“, um nicht nur zu reagieren.

Die andere Facette ist das Entscheiden zwischen riskanten oder konservativen Pässen. Es gibt Partien, in denen du Platz hast und die Pässe einfacher sind. Aber es gibt auch Spiele, in denen dir kein Platz bleibt, aber du denkst, ‚ich könnte einen konservativen Pass machen, aber wir werden keinen Raum gewinnen. Aber wenn ich etwas riskiere und daraus etwas entsteht, wäre es gut. Wenn nicht, sollten wir gut positioniert sein, damit wir mit dem zweiten Pass etwas kreieren können. Das ist es, was ich aus dem Spiel herauslesen muss, um meine Arbeit zu machen. Ich werde keine Dribblings machen oder den letzten, tödlichen Pass schlagen. Das ist nicht meine Aufgabe.

ÜdL Ist es einfacher, die taktische Positionierung des gegnerischen Teams zu erkennen oder ob ein Spieler einen guten oder schlechten Tag erwischt hat?

Alonso Das kann man auch sehen, ja. Man sagt „Hört mal, wir müssen die Bälle zu unserem Außenstürmer bringen, weil er einen guten Tag hat und seinem Bewacher immer entkommt. Dort müssen wir angreifen.“

Wenn es zum Tackling kommt, hast du vorher Fehler gemacht

ÜdL Lassen Sie uns über Ihren berühmten Ausspruch von 2011 über das Tackling reden:

„There is a pause as Alonso reaches, again, the crux of the issue. A single English word he returns to that, unpacked, analysed and investigated, explains much. „I don’t think tackling is a quality,“ he says. „It is a recurso, something you have to resort to, not a characteristic of your game. At Liverpool I used to read the matchday programme and you’d read an interview with a lad from the youth team. They’d ask: age, heroes, strong points, etc. He’d reply: ‚Shooting and tackling‘. I can’t get into my head that football development would educate tackling as a quality, something to learn, to teach, a characteristic of your play. How can that be a way of seeing the game? I just don’t understand football in those terms. Tackling is a [last] resort, and you will need it, but it isn’t a quality to aspire to, a definition. It’s hard to change because it’s so rooted in the English football culture, but I don’t understand it.“

Zu einem Tackling ist ein Spieler gezwungen, wenn er sich vorher falsch positioniert hat, oder?

Alonso Das eine ist ein Tackling, das andere ein Zweikampf, in dem du stark sein musst. Ich meine das Tackling als letzten Ausweg, du gehst zu Boden und wirfst dich rein, weil es eine K.o.-Situation ist: Entweder du gewinnst oder der Gegner. Aber damit es zu so einer Situation kommen kann, muss vorher etwas falsch gelaufen sein. Auf deiner Position im Mittelfeld kannst du intervenieren, bevor es zu dieser Situation kommt. Für mich hast du vorher einen Fehler gemacht, wenn du zum Tackling gezwungen wirst.

Wenn du vorher in einer besseren Position gewesen wärst oder deinen Körper besser eingesetzt hättest oder die Bewegung des Gegners besser vorhergesehen hättest, wäre ein Tackling nicht notwendig gewesen. In diesem Sinne ist das Tackling für mich nicht so bedeutend.

Lahm und Busquets, die „taktisch besten Spieler“

ÜdL Was heißt es für Sie, sich gut positioniert zu haben?

Alonso Antizipieren, vorausahnen und sich auf das einstellen, was passieren könnte. Und wenn es passiert, bist du bereits an der richtigen Stelle. Und wenn es nicht passiert, wurde der Gegner vorher abgefangen. Für mich muss der Mittelfeldspieler ständig mit dem Spiel verbunden sein und ständig antizipieren, welche Situationen sich ergeben könnten. Wenn solche Dinge passieren, bist du gut aufgestellt; und wenn sie nicht passieren, wurden die Aufgaben vorher gelöst. Ich habe immer gesagt, dass die taktisch besten Spieler, die ich getroffen habe, Sergio Busquets und Philipp Lahm sind. Sie tun alles, um sich einen taktischen Vorteil zu verschaffen, vor allem in den kurzfristigen Entscheidungen. Sie sind sehr gut.

Andere haben das Talent, sich den Ball zu nehmen und ihre Gegner zu umspielen, wie er gerade kommt, diese Typen nehmen den Ball und sagen: „Ich werde dieses tun, damit jenes passiert.“ Das ist Intelligenz und Erkennen des Spiels.

Der Kopf als Schlüssel zum besseren Fußball

ÜdL Glauben Sie, dass eine der besten Möglichkeiten der Verbesserung des modernen Fußballs darin liegt zu lernen, wie man auf dem Platz bessere Entscheidungen trifft?

Alonso Für mich heißt Fußball, jederzeit zu wissen, was zu tun ist. Dann bist du ein umso besserer Spieler, sofern du die technischen und physischen Eigenschaften hast, um mehr Aktionen durchzuführen. Für mich kann ein großer Spieler einer sein, der gut im 1 gegen 1 ist, aber auch einer, der darin gut ist, Überlegenheit zu suchen und seinen Mitspielern einen Vorteil zu verschaffen.

ÜdL Und kann ein Weltklassespieler durch die Anleitung des Trainers besser werden oder haben die Trainer nicht genügend Zeit dafür, sich solchen Details zu widmen?

Alonso Ich denke, das ist ein Bereich, der mehr zur Ausbildung gehört. In der Weltklasse kannst du Dinge verbessern, aber wenn man 22 oder 24 Jahre alt ist, ist es mehr eine Frage der Feinabstimmung, und es ist wesentlich weniger, was du noch verbessern kannst. Der Alterszeitraum von 10 bis 20 Jahren ist dafür wichtiger als die 10 Jahre danach. Mit 20 Jahren habe ich den Ball schon so geschlagen wie auch heute noch. Ich glaube nicht, dass ich es vor fünf Jahren besser machte oder heute besser darin bin.

Der moderne Fußball

ÜdL Vor kurzem hat Varane darüber gesprochen, wie sich die Rolle des Mittelfelds geändert hat. Als er begann, verteidigte er noch im Strafraum, heutzutage kann er sich nicht mehr vorstellen, weniger als fünfzig Meter vom Torwart entfernt zu verteidigen. Haben Sie auch so eine Änderung festgestellt?

Alonso Ja. Wie sehr hat sich der Fußball in diesem Bereich verändert! Wie auch die Rolle des Torwarts. Er ist nicht mehr nur der Hüter des Tores, sondern ein zusätzlicher Feldspieler. In vielen Mannschaften ist der Torhüter derjenige, der das Spiel eröffnet, er ist der freie Spieler, der entscheidet, der interpretieren können muss: „Kommt das Pressing von hier aus? Dann muss ich den Ball dorthin spielen! Kommt der Druck in der Mitte? Dann muss der Ball nach außen! Kommt der Druck von außen? Dann muss ich den Ball ins Zentrum geben!“ Es ist alles komplizierter – und viel schöner.

ÜdL Und das ist eine Folge von Aktion-Reaktion-Schemata?

Alonso Zweifellos. Der Fußball entwickelt sich weiter. Man sieht, wie wenige Nuancen zu wesentlichen Änderungen des Spiels führen. Dieser Taktik-Reichtum macht das Spiel ein wenig zu Schach (Alonso fährt mit der Hand über den Tisch und imitiert Züge von Schachfiguren): „Du machst diesen Schritt, dann mache ich jenen. Du wechselst hier, ich stelle mich dorthin.“ Und wer Taktik mag, für den ist das spannend.

Fußball und Schach

ÜdL Aber ein Trainer kann von außen die Spieler nicht immer wie ein Schachspieler bewegen. Es müssen die Spieler selbst sein, die erkennen, wie sich das Spiel entwickelt.

Alonso Deswegen gibt es wie im Theater so viele Proben, viel Training, weil der Einfluss als Trainer in den 90 Minuten des Spiels sich von dem der Spieler unterscheidet. Die Arbeit des Trainers steckt nicht in dem, was auf dem Feld passiert, sondern in dem, was du dir im Training erarbeitet hast. Ich habe das erst mit den Jahren viel besser verstanden.

ÜdL Die Sprache und die Kommunikation: Wie kann der Trainer sich dem Spieler vermitteln, ohne ihn zu verwirren?

Alonso Jeder Trainer muss wissen, worin er gut ist: im Emotionalen, im Taktischen oder im Vermitteln der Intensität. Er muss die Gruppe mit seinen Stärken führen. Und dann sollte der Trainer wissen, wie er jeden einzelnen Spieler anleitet, wie viele Anweisungen er dem einen geben kann und wie viele dem anderen, oder in welchem Maße er den einen oder anderen fordern kann. Wir Spieler sind auch sehr komplexe Wesen und diese Komplexität macht einen Reiz der Arbeit aus. Ich denke, dass man von allen das gleiche Niveau fordern muss, aber ich verstehe, dass jeder anders ist.

„Es ist der Kopf, der alles beherrscht“

ÜdL Es gibt noch immer eine starke Neigung dazu, den Fußball auf die physische Kondition zu reduzieren. Allerdings haben wir bereits über die Bedeutung des Technisch-Taktischen gesprochen. Wie sieht es mit der emotionalen Komponente aus?

Alonso Der psychologische Aspekt hat sich als ein sehr wichtiges Element im Fußball herausgestellt. Es ist der Kopf, der alles beherrscht. Wir haben gerade eine große Katastrophe wie das 0-4 gesehen, mit Momenten des Zusammenbruchs, und darauf folgte ein 6-1… (das Viertelfinale Barcelona-PSG in der Champions League).

ÜdL Dort gibt es Raum für Verbesserungen in den kommenden Jahren.

Alonso Man sollte darauf hinarbeiten und den Spieler darauf vorbereiten, dass er besser mit Ängsten umgeht. Wenn du nichts mehr zu verlieren hast, wie sollst du dich auf das Spiel einstellen? Und wenn du etwas zu verlieren hast, wie solltest du dich verteidigen und verhalten? In diesem Bereich gilt es, den Fußball weiterzuentwickeln, und ich bin nicht sicher, wie man an der Beherrschung von Ängsten arbeitet. Man muss nur das jüngste Beispiel Barça gegen PSG betrachten. Du konntest sehen, dass die Spieler von Paris viel nervöser waren als im Hinspiel, trotz des 4-0-Vorsprungs, weil jeder sie für die Gewinner hielt. Sie hatten so viel zu verlieren, man sah, wie die Angst unter ihnen umging.

Die Macht der Angst

ÜdL Haben Sie die Bilder des vorhergehenden Abendessens mit vier PSG-Spielern gesehen, die auf eine 5-1 Niederlage tippten?

Alonso Ja, ich sah es. Das ist unheimlich, weil es zeigt, wie groß die Angst war…

ÜdL Und Barça fand das Drehbuch, das sie gesucht hatten.

Alonso Ein Skript für eine große Katastrophe. Es zeigt die Macht der Angst vorm Verlieren.

ÜdL Sie haben das Bild verwendet, dass Madrid Rock-’n’-Roll-Fußball spielt, der FC Bayern hingegen Jazz. Als Fußballzuschauer und möglicherweise künftiger Trainer, welche Musik würden Sie gerne spielen?

Alonso Ich glaube, man muss sich an die Spieler anpassen, aber mir persönlich gefällt die Kontrolle. Ich mag es, in der Lage zu sein, dem Team eine Balance zu geben. Du brauchst Spieler, die für ein Gleichgewicht sorgen und welche, die für ein Ungleichgewicht sorgen, und zwischen ihnen musst du nach einer Art Balance suchen. Ich möchte gute Spieler haben und dann schauen, wie man mit ihnen arbeiten kann. Am Ende des Tages bist du von den Spielern abhängig und das Geheimnis ist es, dass du sie so führst, dass sie sich dir verpflichtet fühlen.

ÜdL Man sagt, dass es Trainer gibt, die eher einer Ideologie folgen und Trainer, die dynamischer führen.

Alonso Ich bevorzuge es, ein Teil des Ganzen zu sein, das Denken zu beeinflussen und von einer Idee zu überzeugen, die ich vielleicht haben werde und diese mit dem Team zu erfassen und zu übersetzen. Aber zuerst musst du es schaffen, dass die Menschen auf deiner Seite stehen; Wenn nicht, wird alles andere nicht gelingen. Wenn das geschafft ist, bin ich dafür, eine Idee zu kreieren.

ÜdL Zusammengefasst gesagt, würden Sie sich mit dem System des kontrollierten Spiels identifizieren.

Alonso Das ist die „Macke“ des Mittelfeldspielers. Als Stürmer und großer Dribbler hätte ich gesagt: ‚Los, ihr seid frei, was immer auch passiert‘, und das war‘s. Aber ich bin ein Mann des Mittelfelds und das heißt Kontrolle.

ÜdL Das ist einer der Unterschiede zwischen Cruyff und Guardiola. Johan sagte: ‚Ich möchte 5-4 gewinnen.‘ So etwas hat man von Pep nie gehört…

Alonso Ich denke, Pep wäre mit einem 5-4 nicht glücklich (lacht). Sein Ideal ist die Kontrolle des Spiels, wie auch bei Mourinho. Ihre Spielweisen sind verschieden, aber beide wollen Kontrolle.

Fußball ist Musik

ÜdL Rock ‘n’ Roll, Jazz… Wenn wir diesen Metaphern folgen, was wäre Ihre Art des kontrollierten Spiels? Ein Kanon?

Alonso (in schallendem Gelächter) Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht. Ich mit meinem „Mittelfeldspieler-Komplex“ mag den kontrollierten Fußball. Wenn auf dem Platz etwas passiert, das ich nicht verstehe, bin ich frustriert.

ÜdL Wo fühlen Sie sich wohler, eher im 4-3-3 oder im 4-2-3-1?

Alonso Ich habe auch viel im 4-2-3-1 gespielt, zum Beispiel immer in Liverpool. Bei der Nationalmannschaft war meine Rolle mehr im Zwischenraum mit Busquets, er war mehr auf das Positionsspiel fixiert und ich hatte eine Zwischenrolle, auch wenn wir oft die Rollen tauschten, da die meine nicht so festgelegt war. Bei Bayern und Real habe ich oft in beiden Systemen gespielt.

Es kommt sehr auf meinen Nebenspieler und denjenigen vor mir an. Wenn sie Bälle gut annehmen können, kann ich ihnen scharfe Pässe zuspielen; der zentrale Offensivspieler kann sie zwischen dem Rücken des gegnerischen Halbspielers und des zentralen Mittelfeldspielers verarbeiten, so können meine Pässe dorthin effektiver sein. In Thiago sehe ich einen für mich sehr guten Spielmacher. Arturo spielt dort auch, aber er lässt sich mehr zurückfallen und wird zur Doppel-Sechs.

Faszinierende Spieler

ÜdL Erzählen Sie uns bitte von einigen faszinierenden Spielern, auf die Sie im Laufe ihrer Karriere getroffen sind.

Alonso Am Anfang meiner Fußballerkarriere war es De Pedro. Er war ein Genie. Wenn er wollte, war er mit Abstand der Beste. In den Trainingsspielen sorgte er für die Siege, er schlug die Pässe und machte unglaubliche Tore! Dann Valerón. Valerón machte mich verrückt, als ich bei Real Sociedad war und er bei Dépor (Déportivo La Coruña). Wie einfach ihm alles fiel. Er zeigte mir den Ball, ich griff an und er machte ta-ta-ta-ta-ta (macht schlingernde Bewegung), er versteckte den Ball vor mir und kam nicht mehr an ihn heran. Dann auch Guti: Wenn er wollte, war er auch der Beste. Er dribbelte, gab Assists, die Schule von De Pedro!

Dann hatte ich das Glück, mit sehr wichtigen Spielern zu spielen. Die aus meiner Jugend sind Genies, die heute etwas vom Radar verschwunden sind. Es gibt auch andere Spieler, die mich sehr beeindruckten, als ich im Vergleich zu ihrer Klasse und in der Hierarchie noch ein Jüngling war. Zuerst bei Dépor Mauro Silva, dann in Liverpool Patrick Vieira. Sie standen oben in der Hierarchie, sprachen mit lauter Stimme mit dem Schiedsrichter. Sie beeindruckten mich und ich hatte eine Menge Respekt. Ich stelle mir vor, wie es mit Redondo gewesen wäre, mit dem nie gespielt habe. Zidane hat mich auch beeindruckt, als ich gegen ihn spielte.

ÜdL Wer war der beste Linksfuß, mit dem Sie gespielt haben?

Alonso De Pedro.

ÜdL Und der beste Rechtsfuß?

Alonso Steven Gerrard.

ÜdL Der beste Kopfballspieler?

Alonso Kovacevic, Sergio Ramos, Cristiano Ronaldo. Christiano macht aus dem Nichts ein Tor.

ÜdL Das Dribbling von Messi?

Alonso Ich habe nur gegen Messi gespielt, nie mit ihm. Aber nein, ich glaube, Messi ist mehr ein Lösungsfinder als ein Dribbler. Er dribbelt dich aus, aber für das Spiel.

Was die Magie des Dribblings angeht würde ich sagen Thiago, insbesondere in engen Räumen. Thiago hat eine Menge Magie. Er hat dieses brasilianische Gen von seinem Vater.

ÜdL Der widerstandsfähigste Spieler?

Alonso In Liverpool spielte harmonierte ich mit Mascherano, er hatte einen großen Charakter, er hat taktisch viel zum Spiel beigetragen. Mit Luka Modric zu spielen war auch ein Genuss. Er macht einfach alles sehr gut. Er ist ein Genie, er hat die Fähigkeit, nach hier zu passen, nach dort und dabei das Spiel zu lenken. Nun, wie Iniesta. Sie sind sehr ähnlich.

ÜdL Von den Torhütern Neuer?

Alonso Ja.

Der Mythos der 14

ÜdL Sie sind jemand, der auf jedes Detail achtet, und sie hören jetzt auf mit der mythischen Nummer 14 auf dem Rücken. Warum die 14?

Alonso Bei Real Sociedad hatte ich die ‚4‘, wie mein Vater. Dann in Liverpool nahm ich die ‚14‘. Diese Zahl war mystisch. Es war nicht die Rückennummer eines normalen Ersatzspielers, es war die mythische Nummer von Cruyff. Außerdem trug Jan Molby sie in Liverpool. Ich fühlte mich der ‚14‘ sehr verbunden.

ÜdL Also tragen Sie die ‚14‘ von Cruyff?

Alonso Es ist schon so, dass Cruyff die ‚14‘ großgemacht hat. Er war der erste. Henry und Guti trugen sie ebenfalls. Als Guti ging, war ich sehr erfreut, dass ich das bedeutende Erbe der ‚14‘ antreten durfte.

ÜdL Welches Erbe würden Sie gerne als Fußballer hinterlassen?

Alonso Ich mag nicht darüber reden. Ich wollte immer ein sportliches Verhalten zeigen, im Wettbewerb stehen, das Spiel und den Gegner respektieren, dem Klub verpflichtet sein, bei dem ich spiele, mit Professionalität und Ernst an die Sache gehen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Fragen stellten Isaac Lluch und Martí Perarnau.

Das Gespräch wurde Anfang Mai zuerst auf Spanisch in Perarnaus spanischer Online-Zeitschrift The Tactical Room veröffentlicht.

Über die Linie! dankt Martí Perarnau und Isaac Lluch für die deutschen Veröffentlichungsrechte.

Fotos: Isaac Lluch

Aus dem Spanischen übersetzt von Stefen Niemeyer

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